Im Schatten des Galgens Kommiss
beschäftigte die beiden so rasse- und artfremden Männer, die in dieser ereignisreichen Nacht gemeinsam der Innenstadt zustrebten. Noch ahnten sie zur Stunde nicht, daß nur einer von ihnen der Rätsel Lösungen überleben würde . . .
*
Mike Callinger, der Boß der Clique aus der Tench-Street, lag am folgenden Morgen noch wie betäubt in seinem Zimmer in der nahe der ,Merry-Grotto' gelegenen Green-Bank-Street. Er war erst sehr spät ins Bett gekommen und wußte noch nichts von der Pleite, die sein Mann am Vorabend auf der West-India-Road hatte einstecken müssen.
Er hatte in der verflossenen iNacht das gleiche getan, was auch die anderen seines Vereins ausgiebig getan hatten: Er hatte ausgiebig fast die ganze Nacht über dem Alkohol zugesprochen — und lag nun wie erschlagen auf seinem Bett.
Nicht einmal seine Kleider hatte er sich vom Leibe gestreift, als er mit schwerer Schlagseite sein Zimmer betreten hatte. Nur schlafen, schlafen — war in den Morgenstunden dieses Tages sein sehnlichster Wunsch gewesen. Und kaum, daß er sich auf seinem Bett ausgestreckt hatte, war er auch schon in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Doch es sollte ein jähes Erwachen geben . . .
Es begann damit, daß ihn ein mehrmaliges hartes Pochen an der Tür seiner Kammer aus dem Schlaf riß.
„Hallo, Callinger — Mike Callinger!" brüllte eine heisere Stimme hinter der Tür seinen Namen.
Zunächst glaubte der Gerufene beim Erwachen geträumt zu haben. Doch augenblicklich wurde er hellwach, als die Stimme vor der Tür erneut brüllte „Verdammt noch mal — was ist denn mit dir los, Callinger? Schließ doch endlich auf und laß mich rein!"
Mike Callingers erste Reaktion beim Erwachen war der Griff zu seinem Schulterhalfter. Dann erst, als er seine 45er umspannt hielt und den Sicherungsflügel der Waffe herumgelegt hatte, bewegten sich seine Lippen: „Goddam — wer ist da?"
„Callinger, ich bin's!" antwortete der Mann vor der Tür. „Ich — Roger Bates! Mach auf, es ist eine verdammte Sauerei passiert."
Zwei Sekunden horchte er gespannt auf die Stimme vor der Tür. Dann war er sich im klaren darüber, daß es wirklich Roger Bates, sein derzeitiger Unterführer war, der da so stürmisch Einlaß begehrte. Nun, da er keine Falle mehr befürchtete, sprang er aus dem Bett und legte den Riegel der Tür zurück. War Mike Callinger auch schon von dieser Störung nicht sehr erbaut, so verfinsterte sich sein Gesicht noch mehr, als er seinen scheinbar völlig aufgelösten Unterführer erblickte. Sogleich schwante ihm Böses. Dennoch konnte er sich nicht verkneifen zu spötteln: „Aber Mann, wie siehst du denn aus?" „Quatsch, wie ich aussehe, tut verdammt nichts zur Sache", knurrte Roger Bates schweratmend seinen Boß an.
„Frage mich lieber, warum ich hier bin."
Die Augen Mike Callingers zogen sich bei diesen Worten zu zwei schmalen Schlitzen zusammen. Beißend kam seine Frage: „Und warum bist du hier?"
Wenige Sekunden ließ sich Roger Bates Zeit. Dann sprudelten die Ereignisse der vergangenen Nacht nur so über seine Lippen: „Damit du gleich klar siehst, Mike. Der Sonny, auf den wir seit Jahr und Tag gewartet haben, ist hier in der Stadt — und der Mann, der ihn abfangen wollte, liegt mit einer durchbohrten Hand in seiner Bude..."
Nun konnte Mike Callinger doch nicht mehr an sich halten. Schnaubend unterbrach er seinen Unterführer: „Shut up, verdammte Pest, wie konnte das geschehen?“
Wie ein gereizter Stier begann er in dem Raum hin und her zu laufen. Während seine Hände sich zu Fäusten ballten, färbte sich sein grobes Gesicht krebsrot. Hektische weiße Flek- ken darin stachen von diesem knalligen Rot ab und spiegelten die in ihm tobende Wut deutlich wider.
Well, Mike Callinger kochte. Noch mehr, er schäumte bereits über. Und Roger Bates mußte einen wilden Sturm von Worten über sich ergehen lassen: „Da habt ihr blöden Kerls doch bestimmt nicht aufgepaßt, wie . . .? Habt keinen Besseren für die Erledigung des Burschen von der ,Susanne' finden können, als diesen Trottel von Sten Settloom. Da glaubt man nun, sich auf seine Leute verlassen zu können, und was geschieht, wenn man nur ein einziges Mal nicht persönlich dabei ist und seine Befehle gibt? No, anstatt alles aufzubieten, was nur Beine hat, schicken sie diesen geistig unterernährten Burschen auf die Reise. Daß das schiefgehen mußte, war doch wohl klar, oder . . .“
Mitten in seiner Raserei stoppte Mike Callinger
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