Im Schatten des Galgens Kommiss
schon mit Mike Callinger gekommen. In seiner Gier nach Geld war er bereit, selbst seine besten Freunde aufs Kreuz zu legen, wenn sie nicht so spuren wollten, wie er es haben wollte.
Roger Bates erkannte es, als er sich langsam wieder herumdrehte, und direkt in die kreisrunde Oeffnung der in Mike Callingers Rechten befindlichen 45er blickte.
Einen Augenblick fühlte Roger Bates eine mächtige Wut in sich aufsteigen. Doch gleichzeitig erkannte er, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als sich dem Befehl Mike Callingers zu beugen. Zähneknirschend ging er an seinen Platz zurück und blieb von nun an teilnahmslos auf seinem Stuhl sitzen. Diese kleine Episode war nur der Anfang von der späteren Zersplitterung der Gang, die schon bald folgen sollte.
An allem aber war nur der Starrsinn Mike Callingers schuld, der unbedingt vor den „Penny-Brüdern" seine unumschränkte Herrschaft beweisen wollte.
So begann er auch nun großspurig die Rollen zu verteilen, die er seinen Leuten und den „Penny-Brüdern" zugedacht hatte, und die zur Vernichtung Jean Embrokes führen sollten. Hiernach hatte er das gesamte Hafengebiet in sechs Abschnitte eingeteilt. Es waren die Stadtteile von Rotherhithe — Shadwell — Limehouse — Lansbury — Poplar und Stepney.
Da sie nun insgesamt dreizehn Mann waren — wieder eine Zahl mit schlechter Vorbedeutung—, sollten jeweils zwei Mann einen Stadtteil übernehmen und jeden Winkel durchkämmen.
„Roger", riß er seinen aufsässigen Unterführer aus seinen grimmigen Gedanken.
„Wir beide nehmen uns das Gebiet jenseits des Flusses, also Rotherhithe, vor. Mach dich fertig, damit wir gleich abschwirren können. Sten und Tomy, ihr trabt nach Poplar. Hank und Robert, macht euch klar und schnüffelt Limehouse durch. Haut ab, — und noch etwas: sobald ihr diesen Embroke aufgetrieben habt, erledigt ihn und gebt anschließend Nachricht nach hier. Ich werde alle zwanzig Minuten hier unseren Budiker anrufen und nachfragen, ob sich jemand von euch gemeldet hat."
Während sich die Aufgerufenen erhoben und sich fertigmachten, verteilte Mike Callinger die anderen Stadtteile unter den noch Übriggebliebenen. Nach und nach verließen die dunklen Gesellen mit gemischten Gefühlen das Hinterzimmer der „Merry Grotto". Wenn sie sich auch nicht mehr gegen die Anwesenheit der „Penny-Brüder" zur Wehr gesetzt hatten, so waren sie trotzdem nicht sehr erbaut davon, daß Mike Callinger sich nicht hatte belehren lassen — und das Mordgesindel sogar in Schutz genommen hatte.
Eine Viertelstunde später befanden sich nur nur noch die berüchtigten „Penny-Brüder", Roger Bates und der Chef der Clique, der eigensinnige Mike Callinger, in dem qualmdurchzogenen Hinterzimmer an der Tench-Street.
Eben wollten auch sie zum Aufbruch rüsten, als ein Ereignis eintrat, das Mike Callinger beinahe einen Freudenschrei entrissen hätte. Der schwammige Budiker hatte ihn zum Telefon gerufen.
Hier klangen ihm die Worte des Anrufers wie Musik in den Ohren: „Hören Sie, Callinger! Ich weiß zwar nicht, wie weit Sie mit der Erledigung meines Auftrages sind. Trotzdem will ich Ihnen behilflich sein. Fahren Sie sofort mit einigen Ihrer Jungs nach Stepney. Dort werden Sie in dem kleinen Cafe am Trafalger-Cars Jean Embroke vorfinden. Erledigen Sie ihn aber unauffällig. Und warten Sie solange damit, bis sich der Mann, mit dem er sich dort trifft, verschwunden ist. Es ist ein weitentfernter Verwandter von ,Whitmen-Castle', ein gewisser Antony Sutter. Aber wenn es nicht anders gehen sollte, dann schicken Sie diesen Sutter eben mit in die Hölle . . . Haben Sie mich verstanden, Callinger?"
Vor Freude und Erregung war Mike Callingers Stimme heiser geworden, als er nur kurz antwortete: „Alles okay! Habe verstanden..."
Nun schien es so, als würde sich gewissermaßen kurz vor Toresschluß noch alles für Mike Callinger zum Guten wenden.
Aufgeräumt und in blendender Laune teilte er danach Roger Bates und den „Penny-Brüdern" die veränderte Situation mit: „Neue Lage", feixte er mit sichtlicher Befriedigung, und rieb sich dabei geschäftstüchtig die Hände, „Roger und ich werden nicht nach Rotherhithe gehen, sondern wir werden gemeinsam ein gewisses Cafe am Trafalger-Cars in Stepney besuchen. Kommt, — auf der Fahrt dorthin werde ich sagen, was anliegt..."
Ohne sich weiter um die fragenden Gesichter seiner Spießgesellen zu kümmern, trabte Mike Callinger dem Ausgang der „Merry Grotto" zu. Hinter ihm folgten Roger
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