Im Schatten des Galgens Kommiss
Bates, der nun gar nicht mehr wußte, was hier eigentlich gespielt wurde — und sich apathisch seinem Schicksal ergab. Den Schluß dieser unmenschlichen Gesellschaft bildete das Trio der „Penny-Brüder". Mehr als deutlich stand in ihren Gesichtern die Bereitschaft zu weiteren Morden geschrieben . . .
*
„Aber warum wendest du dich denn nicht an die Polizei?"
„Was soll ich denn da, Antony? Einem Mann wie mir glauben sie doch kein Wort. Ich habe es am eigenen Leib erfahren müssen. Und wenn ich jetzt zur Polizei gehen würde, würde man mich nur spöttisch ansehen. Solange, bis ich meinen Speech beendet habe — und dann würde ich ein niedliches Zimmer angewiesen bekommen. Eines von denen, das schöne, solide Eisengitter hat . . . No, no — darauf verzichte ich. Ich habe mir nun mal diese verdammte Suppe selbst eingebrockt. Jetzt muß ich auch selbst sehen, wie ich da wieder herauskomme."
Ein kurzes Schweigen trat nach diesen Worten Jean Embrokes ein, der in dem Cafe am Trafalger-Cars Antony Sutter gegenübersaß. Dann meinte Antony Sutter leise:
„Weißt du, ich überlege mir soeben, was wohl für dich und deine Lage das beste wäre. Und da bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es vorläufig für dich nur einen Weg gibt..."
„Und der wäre?" wollte Jean Embroke wissen.
„Urlaub machen! Je weiter der Urlaubsort von London entfernt ist, um so besser für dich."
Die Stirn Jean Embrokes zog sich bei diesem Vorschlag seines Gegenübers in Falten. Nur einen winzigen Augenblick schien er darüber nachzudenken. Doch dann schüttelte Jean Embroke energisch seinen Kopf und preßte die Worte hervor: „Auf keinen Fall werde ich das tun. Ich werde hier in der Stadt bleiben und das zu Ende bringen, was ich mir vorgenommen habe. Ob es mir ganz gelingen wird, weiß ich nicht. Jedenfalls werde ich es versuchen."
„Nun dann, wenn du unbedingt an den Galgen willst, dann bleibe in der Stadt. Eines aber nimm jetzt schon mit auf den Weg: wirst du beim Stand der augenblicklichen Dinge von der Polizei erwischt, stehen deine Chancen, dein Leben zu erhalten, schlecht. Ich möchte sogar behaupten, du hast dann überhaupt keine Chance mehr."
„Das weiß ich — aber trotzdem bleibe ich in London. Ich habe mir auch schon einen Plan ausgedacht, wie ich weiterhin vorgehen werde."
„Darf man erfahren, was du nun vorhast?" wollte Antony Sutter aufhorchend wissen.
Minute um Minute verstrich — und immer noch saßen diese beiden Männer einträchtig beisammen und besprachen Dinge, die selbst im günstigsten Falle noch als sehr heiß bezeichnet werden mußten . . .
Mit einem noch heißeren Eisen spielten die fünf dunklen Gestalten, die sich seit wenigen Minuten vor dem Cafe am Trafalger-Cars eingefunden hatten. Es war Mike Callinger mit seinen Mordgesellen, die darauf lauerten, daß Jean Embroke das Cafe, verlassen würde. Schon hatten sie sich inzwischen Gewißheit verschafft, daß sie nicht vergebens zu warten brauchten. Denn Roger Bates hatte für einen kurzen Augenblick das Cafe betreten — und war, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß sich der Gesuchte tatsächlich hier aufhielt, wieder zu seinen Spießgesellen zurückgekehrt. Nun warteten sie, um ihre verwerfliche Tat zur Ausführung zu bringen . . .
Es schien, als befanden sich Mike Callinger und seine Komplicen in einer momentanen Glückssträhne. Noch keine zehn Minuten waren seit ihrem Eintreffen vergangen, als auch schon unter dem hellerleuchteten Eingang des Cafes jene Person erschien, die sie bisher vergebens gesucht hatten; Jean Embroke . . .
Hoch aufgerichtet verweilte er einen kurzen Moment auf der obersten der vier zum Cafe hinaufführenden Treppenstufen. Ein weiterer Mann gesellte sich zu ihm — und zusammen betraten sie den Gehweg.
„Achtung!" zischte Mike Callinger seinen Komplicen zu.
„Der größere ist es. Warten wir aber erst ab, was sie Vorhaben."
Eine fast unheimliche Stille legte sich plötzlich über das weite Rund um den Trafalger-Cars. Es war so, als konzentriere sich selbst die Umgebung auf das bevorstehende Ereignis — um dann mit dem Losschlagen der Gangster ebenfalls wieder ihre vertrauten Geräusche in der Nacht aufzunehmen . . .
In den nächsten Sekunden brach am Trafalger-Cars die Hölle los. Zunächst durchzuckte Mike Callinger ein heißer Schreck. Er, der bisher so siegessicher war und sich so nahe seinem Ziel glaubte, sah plötzlich rot, als er Jean Embroke und seinen Begleiter um die Ecke des Hauses und
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