Im Schatten des Galgens Kommiss
schon bald heraus. Zusammen mit Konstabler William Tabler war er am Tatort eingetroffen und hatte zur sichtlichen Befriedigung der Mordkommission auch diesen Fall mit übernommen. Nach kurzer Besichtigung des Tatortes war er in das Cafe eingetreten und saß nun an einem der Tische einer dunkelhaarigen Kellnerin gegenüber. Es war jene Frau, die vor knapp einer halben Stunde noch den nun toten Antony Sutter und seinen Begleiter bedient hatte.
Ängstlich und verstört hockte sie auf ihrem Stuhl, und Kommissar Morry verhörte sie in seiner ihm eigenen, rücksichtsvollen, aber dennoch weitsichtigen Art. „Also dort am Nebentisch hatte Mister Sutter mit einem weiteren Mann gesessen", wiederholte er die Worte der Frau und setzte sein Gespräch weiter fort: „Da dieser Fremde seit den Schüssen, die nach Verlassen des Cafes dort auf der Straße abgegeben worden waren, nicht wieder aufgetaucht ist, werden Sie sich doch bestimmt an das Aussehen dieses Mannes erinnern?"
„Yes, Kommissar", kam es leise über die Lippen der Kellnerin.
„Das auffälligste an diesem Mann war wohl die stark gebräunte Hautfarbe."
Schon bei dieser Erwähnung erinnerte sich Kommissar Morry an die Beschreibung jenes Mannes, die auch Inspektor Keeton von dem von ihm gesuchten Jean Embroke in der Mordnacht des Chinks erhalten hatte. War es nun Jean Embroke gewesen, der sich hier mit Antony Sutter getroffen hatte? Diese Frage sollte Kommissar Morry schon bald geklärt wissen. Alles, die Größe, das Alter, selbst das etwaige Aussehen deckte sich mit der Beschreibung, die nur auf Jean Embroke zutreffen konnte.
„Noch etwas, Miß", wollte Kommissar Morry nach diesen Ausführungen der Frau wissen: „Sie haben doch ständig mit Menschen aller Schattierungen zu tun und können sich daher auch ungefähr ein Bild über das Wesen eines Menschen machen. Was ist Ihre Meinung? Sagen Sie mir getrost, was Sie denken . . . Halten Sie diesen Fremden für fähig, daß er seinen Begleiter, Mister Sutter, nach Verlassen dieses Cafes getötet haben kann?"
Warum Kommissar Morry diese Frage ausgerechnet einem völligen Laien der Kriminalistik vorlegte, war allein in der Tatsache begründet, daß er instinktiv fühlte, daß Jean Embroke zumindest diesmal nicht der Mörder sein konnte. Zuviel Widersinniges stand einem Mord Jean Embrokes an Antony Sutter in der Art der Ausführung entgegen. Da war zunächst der Tatort: Kein normaler Mensch würde einen Mord begehen, kaum eine Minute später, nachdem er mit seinem Opfer ein Lokal verlassen hatte. Weiter! — Die Zeit vom Verlassen des Cafes bis zur Ausführung der Tat war zu gering, um sich einwandfrei davon überzeugen zu können, daß die Luft für ein derartiges Verbrechen auch wirklich rein war. Und dann der Verdacht! Zwangsläufig mußte er ja auf ihn fallen . . .
,No, — und nochmals no!‘, sagte sich Kommissar Morry.
.Diesen Mord an Antony Sutter hatte Jean Embroke selbst nicht ausgeführt Vielleicht...'
Aber auch dieser folgende Gedanke kam ihm schon im Keime zu vage vor. Vielleicht hatte Jean Embroke einige Mordgesellen für die Ausführung des Verbrechens gekauft. Doch wenn es so gewesen sein sollte, würde es sich bald herausstellen . . .'
Schon gedachte Kommissar Morry seine vorherige Frage an die Frau zu wiederholen, als die Kellnerin zwar leise, aber bestimmt meinte: „Kommissar, das glaube ich nicht! Der Mann machte nicht den Eindruck, daß er Mister Sutter zu töten gedachte."
„Well, ich bin zwar derselben Meinung. Doch müssen wir es der Zukunft überlassen, wie es nun wirklich war."
Noch während Kommissar Morry diese Worte aussprach, hastete Konstabler Tabler in das Cafe. Er hatte von Kommissar Morry den Auftrag erhalten, die nähere Umgebung des Tatortes in Augenschein zu nehmen. Von Wichtigkeit war es für Kommissar Morry, zu wissen, von wo aus die tödlichen Schüsse auf das Opfer abgegeben worden waren. Daß sich dann auch an dieser Stelle jene Indizien befinden mußten, die auf das Kaliber der Mordwaffe schließen ließen, war in den meisten Fällen eine Selbstverständlichkeit . . .
Nur die Täter, die sich nach der Tat noch genügend Zeit nahmen, um die ausgeworfenen Hülsen wieder aufzusammeln, hatten noch eine Gnadenfrist bis zur Bestimmung ihres Mordkalibers. Aber nur so lange, bis das Projektil aus dem Körper des Opfers herausgeholt worden war. Der Schießsachverständige im Kriminaltechnischen Institut bestimmte in diesen Fällen unfehlbar die Größe und die Art der
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