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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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auf die seinen. Er spürte kurz den sauren Atem aus einem Magen, in dem sich seit zu langer Zeit zu wenig Inhalt befand; eine Zunge huschte in seinen Mund und wieder heraus, und die Frau lehnte sich zurück und grinste ihn an. Zwischen ihren Zähnen hielt sie die Münze. Sie spuckte sie in die Hand und lachte rau. »So bin ich noch nie bezahlt worden.«
    Rinaldo lächelte sie an.
    Die Hübschlerin seufzte und biss sich auf die Lippen. Schließlich brachte sie ihren Mund an sein Ohr und raunte: »Ich will verflucht sein, wenn ich je einen Kerl zu einer anderen geschickt habe, ohne ihn vorher selbst gemolken zu haben, aber bei dir mach ich eine Ausnahme. Wenn Geld keine Rolle spielt, versuch’s bei Tiberius im Berlich.«
    »Eine viel versprechende Name.«
    »Du wirst das Haus von außen nicht erkennen, aber ich kann’s dir beschreiben. Wenn du jemanden fragst, wird’s dir keiner sagen. Tiberius hält auf Diskretion.«
    »Und was finde ich dort?«
    Sie lachte und schlug ihm auf die Schulter. »Die teuersten Spalten in ganz Köln und Umgebung. Schön wie die Engel, verdorben wie die Sünde und teuer wie der Teufel. Wenn du dein Geld loswerden willst, gibt es keine bessere Adresse.«
    Rinaldo grinste und zauberte eine weitere Münze hervor, während sie ihm in knappen Worten beschrieb, wie er Tiberius fände. Innerlich jubelte er. Genau, wohin er gewollt hatte! Guglielmo in Mailand hätte der Bruder von Tiberius sein können, was Geheimniskrämerei und Ruf anging. An solch eine Adresse kam man nur auf zwei Arten: Man wurde von dem reichen Patrizier oder Bischof eingeladen, der dort Stammgast war, oder man fing es so schlau an wie Rinaldo. Alle Weiber auf der Gasse kannten alle Adressen … aber keine von ihnen rückte sie einfach so heraus.
    Er hielt ihr die Münze vor die Nase, eingeklemmt zwischen Zeige- und Mittelfinger, und sie nahm beide Finger in den Mund, leckte sie langsam ab und nahm die Münze schließlich mit sich. Rinaldo atmete tief ein.
    »Du versäumst was, mein hübscher kleiner Heide«, sagte sie.
    »Jede Wette«, erwiderte Rinaldo, tätschelte ihr den Hintern und stapfte zum Dom hinüber, um die andere seiner beiden heutigen Aufgaben in Angriff zu nehmen: Bruder Ulrichs Suche nach dem Schädel des heiligen Albo ganz diskret anzukündigen.
    Zwei Stunden später räkelte sich Rinaldo auf einem frisch nach Heu duftenden Lager im Obergeschoss des Hauses, in dem Tiberius seine Schätze versteckte. Das Mädchen neben ihm war von der Art, dass ein reicher Mann anderswo ein Haus für sie gemietet und viel Geld dafür gezahlt hätte, um sie einmal im Monat besuchen zu dürfen. Rinaldo spielte versonnen mit dem nun leeren Lederbeutel um seinen Hals. Für Ulrichs kleines Vermögen hatte er nichts bekommen, das er mit zwei gesunden Händen nicht auch selbst vollbracht haben könnte, aber die Ausgabe war nötig gewesen, um an Tiberius heranzukommen – und das Mädchen war tatsächlich schön wie ein Engel. Rinaldo beobachtete sie, wie sie sich die Hände an einem Tuch säuberte und das Tuch dann durch den Samtvorhang ihres privaten Gevierts nach draußen warf, wo irgendein Bursche es sicher in den nächsten Augenblicken aufnehmen und davonbringen würde. Aus den anderen Gevierten ertönten die Geräusche von Beilagern in unterschiedlichen Stadien des Fortschritts. Bei aller Diskretion hatte Tiberius noch kein Mittel dagegen gefunden, und dass mancher Mann die Lust verlor, wenn er einen unsichtbaren Kameraden gleich nebenan lustvoll grunzen hörte, konnte ihm zwar egal sein, warf aber einen Schatten auf die Qualität seines Hauses. Guglielmo hatte in seinem Bordell die Anzahl der Liebeskammern auf zwei pro Geschoss beschränkt (was im Ganzen vier ausmachte), und sie waren weit genug voneinander entfernt, dass so etwas wie Privatheit entstand – ein seltener, zusätzlicher Genuss für die Herren, die zu Hause in der Regel stets von Dienstboten oder Familienangehörigen umgeben und bereit waren, dafür nochmals extra zu bezahlen. Die Wartezeiten, die sich bei Vollbelegung der Kammern ergaben, ließ Guglielmo nicht ungenutzt: Er tischte den Wartenden ungefragt Wein auf und sorgte dafür, dass einige der billigeren Mädchen sich in aufreizender Weise um sie bemühten und ihnen das lange Ausharren auf die wahren Königinnen des Hauses verkürzten (weitere Sondereinnahmen für Guglielmo). Rinaldo konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Ja, wenn Tiberius ihn in Dienst nahm, würde er seinem neuen Herrn nicht nur beim

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