Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
hatte – nicht wegen seines Ungehorsams bezüglich Ulrichs Inkognito, sondern wegen dem, was er zusätzlich zu seinem Auftritt im Dom noch tun wollte … und wovon er Ulrich nichts erzählen konnte.
Er setzte ein selbstbewusstes Grinsen auf und stiefelte zur Tür. Auf halbem Weg drehte er sich um, wie ein Mann, dem im letzten Augenblick etwas Nebensächliches eingefallen ist, das er schnell noch erledigt haben will.
»Kannst du mir eine bisschen Geld mitgeben?«, fragte er. »Vielleicht ich werde ein paar Hände salben müssen.«
Ulrich zog die Augenbrauen hoch. »Hände salben?«, echote er.
»Bakschisch«, sagte Rinaldo. »Vorauszahlung. Bestechung. Schmiere. Nenn es wie du willst.«
»Jetzt schon …?«
»Damit kann man nie früh genug anfangen.«
»Wie viel brauchst du?«
Rinaldo zögerte einen winzigen Augenblick. »Fünf Pfennig«, sagte er dann.
Ulrich schnappte nach Luft. Seine Hand blieb in seiner Gürtelbörse stecken. »Das ist ein Vermögen!«
»Es geht ja auch um ein wichtige Sache, no?«
Ulrich zählte seufzend Viertel- und Halbmünzen auf eine der Truhen. Mittendrin zögerte er und warf Rinaldo einen Seitenblick zu. Rinaldo nickte aufmunternd. Ulrich vervollständigte den Betrag und seufzte dabei noch tiefer. »Wenn das so weitergeht, sind wir pleite, bevor wir den Schädel auch nur gesehen haben«, brummte er.
Rinaldo schob die Münzen in seine hohle Hand und verstaute sie in dem Ledersäckchen, das er auf der Brust hängen hatte. Das Gewicht des Geldes spannte die Schnur und schnitt in seinen Nacken, aber es war eine beruhigende Last. Er atmete insgeheim auf … und fühlte sich noch insgeheimer wie ein Betrüger.
Ohne dich würde man Bruder Ulrico spätestens morgen in irgendeiner Gasse ausrauben, sagte er sich. Doch er konnte den Gedanken nicht vertreiben, dass er Verrat beging.
»Es kann eine Weilchen dauern«, sagte Rinaldo und öffnete die Tür.
Ulrich winkte ihm matt hinterher. »Keine Angst, ich laufe nicht weg. Wo sollte ich auch hin?«
Kapitel 12.
N a, mein Sultan, wo willst du denn hin?« Die Hübschlerin drängte sich dicht an Rinaldo heran und lächelte ihn an. Aus der Nähe gewann ihr Gesicht noch einige Falten und Furunkel hinzu. Sie griff ungeniert unter seine Tunika. »Ich habe gehört, ihr Heiden seid beschnitten. Stimmt das, mein großer Saladin? Ich habe noch nie einen drin gehabt, der beschnitten war.« Sie begann zu kneten, was unter ihrem Griff zum Leben erwachte. »Und ich bin neugierig, Süßer! Wenn du mich überhaupt verstehst, mein schwarzer Heide …«
Rinaldo grinste sie breit an. »Jedes Wort ist wie Engelsgesang in meine Ohren«, säuselte er und tätschelte ihren Hintern. Sie presste seine Finger mit der freien Hand und schob sie näher zu der Stelle, wo die Rundungen ihrer Hinterbacken zusammentrafen.
»Wir können in die Kirche gehen«, flüsterte sie. »Es ist gerade keine Messe.«
»Ich suche etwas Besonderes«, sagte Rinaldo.
»Ich bin etwas Besonderes!«
»Ich meinte, etwas ganz Besonderes!«
Sie ließ seine Hand los, und auch die Finger unter seiner Tunika hörten auf zu kneten (Rinaldo war nicht undankbar dafür; hätte sie weitergemacht, wäre es ihm vermutlich ziemlich schnell unmöglich geworden, seine Komödie weiterzuspielen). Sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, was für ihr Gesicht keineswegs vorteilhaft war. Die knallrot geschminkten Flecken auf ihren Wangen verschoben sich nach oben.
»Ziegen?«, fragte sie langsam. »Esel?«
»Nein, keine Gedanke«, sagte Rinaldo und tat so, als würde er die Frage nicht beleidigend finden.
Die Hübschlerin nahm die Hand unter seiner Tunika hervor und wischte sie langsam an ihrem Rock ab. »Knaben …?«, hauchte sie.
»Ich sagte doch, etwas wirklich Besonderes!«
Die Hübschlerin war ratlos. »Ich habe eine Freundin, die wiegt dreihundert Pfund. Vielleicht möchtest du gern in weichen Kissen versinken, mein kleiner dürrer Spatz?«
»Es darf ruhig teuer sein.«
»Wenn’s dir darum geht, ich knöpf dir gern das Dreifache ab …«
Rinaldo sah sie an und legte so viel Resignation in seine Stimme und auf sein Gesicht, dass ein Hund, hätte er ihn beobachtet, zu winseln begonnen hätte. »Ich glaube, ich kann bei dir nicht finden, was ich suche … aber für deine Mühe …«
Er zauberte eine Viertelmünze zwischen seinen Fingern hervor, legte sie sich auf die Zunge und beugte sich zu ihr nach vorn. Sie sah ihn einen Augenblick lang entgeistert an, dann presste sie ihre Lippen
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