Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
voller Leibesfülle und versperrte ihnen den Weg nach unten.
»Ich bin Reserveoffizier des Bürger-Militärs!«, brüllte Caesar Schröder. »Welchen Dienstrang bekleiden Sie?«
Die Offizianten nahmen Haltung an, der Mann im blauen Mantel sackte etwas in sich zusammen. »Ich bin Sergeant Heißig. Ich habe den Befehl, diesen Mann zu arretieren.«
Schröder machte eine wegwerfende Handbewegung. »Alle Leute in diesem Haus stehen unter meinem Schutz. Hier wird niemand ohne meine Zustimmung abtransportiert.«
»Das mag schon sein«, sagte der Sergeant, »aber ich habe meine Befehle.«
»Bitte folgen Sie mir in mein Büro«, sagte der Reserveoffizier Schröder. Es hörte sich durchaus nicht wie eine Bitte an.
Die Polizeioffizianten warteten mit dem Verhafteten unten in der Diele. Oben im Kontor war wieder nur das Ticken der Uhr zu hören. Harms saß tief gebeugt über seinem Kassenbuch, doch es sah nicht aus, als würde er Zahlen eintragen. Alexander machte keine Anstalten, irgendwelche Aktivitäten vorzutäuschen. Er stand an seinem Pult und blickte durch das Fenster auf die gegenüberliegende Hauswand. Moritz fühlte sich aller Energie beraubt. Er machte den mühsamen Versuch, einige Zeilen zu kopieren, doch recht bald ließ er es sein, weil alles vor Fehlern strotzte.
Schließlich öffnete sich die Tür des »Heiligtums«. Sergeant Heißig schritt an den Commis vorbei nach unten, bellte seine Befehle, Füße scharrten über den Steinfußboden, dann knallte die Tür ins Schloss.
Caesar Schröder versammelte seine Leute um sich. »Wie Sie gehört haben«, begann er mit schleppender Stimme, »ist Herr Stove wegen des Verdachts, den Werftbesitzer Elbrand ermordet zu haben, verhaftet worden.« Er griff in die Hosentasche und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht. »Ich kann es nicht glauben, doch die Umstände sprechen gegen ihn. Er ist in der Nacht beobachtet worden, als er sich im Herrengraben mit Herrn Elbrand gestritten hat. Es muss ziemlich laut und heftig zugegangen sein. Einige Zeit später wurde der Werftbesitzer von der Nachtwache entdeckt. Er lag tot auf dem Boden, offensichtlich erstochen.«
Caesar Schröder blickte sich hilflos um, wieder wischte er sich mit dem Taschentuch übers Gesicht.
»Der Arme«, sagte Alexander mitfühlend. Es war nicht zu erkennen, ob der den Werftbesitzer oder Roger meinte.
»Der Arme, der Arme«, äffte eine helle Stimme von der Treppe her. Dort stand Cäcilie, die Hände auf die Hüften gestützt, und bedachte ihren Bruder mit einem giftigen Blick.
»Du sollst nicht lauschen«, sagte Caesar Schröder matt. »Hier passieren schreckliche Dinge. Das ist nichts für kleine Mädchen.«
»Ich bin kein kleines Mädchen! Und ich lausche auch nicht. Mama hat schon mehrfach zum Essen klingeln lassen, aber die Herrn sitzen wohl auf ihren Ohren.«
Niemand sagte etwas.
»Was wollt ihr jetzt tun?«, fragte Cäcilie.
Alexander blickte seine Schwester verwirrt an. »Was können wir schon tun? Wenn er unschuldig ist, wird er bald wieder frei sein.«
»Er ist unschuldig!«, bestimmte Cäcilie.
»Die Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf«, sagte Caesar Schröder.
Cäcilie fuchtelte undamenhaft mit den Händen. »Wir müssen etwas tun! Wir können Roger doch nicht alleine lassen.«
»Du wirst doch nicht schon wieder etwas aushecken?«, fragte Alexander erschrocken. »Denke daran, dass dies ein ehrbares Handelshaus ist. Es schadet dem Geschäft, wenn wir uns in aller Öffentlichkeit für einen Mörder einsetzen.«
»Wir müssen doch nicht jedem erzählen, dass wir für Roger etwas tun wollen.«
Die Familie Schröder begab sich zum Mittagessen ins zweite Obergeschoss des umgebauten Speichers. Was die Arbeiter früher den »zweiten Boden«, genannt hatten, bezeichnete Anna Louise Schröder heute als »Beletage«. Caesar Schröder und seine Frau nahmen auf den harten Stühlen mit den hohen Rückenlehnen Platz, die Kinder warteten, bis sich die Eltern gesetzt hatten. Das Hausmädchen stand vor dem kleinen Geschirrraum, der von Schröders nach Art der Segelschiffe als »Pantry« bezeichnet wurde. Die Köchin war nicht anwesend, sie bereitete das Essen in einem steinernen Anbau im Hof vor, des offenen Feuers und der permanent drohenden Brandgefahr wegen.
Caesar Schröder blickte über die Häupter der Anwesenden, senkte dann den Kopf und faltete die Hände. Das Hausmädchen zupfte ihre gestärkte Schürze zurecht und stellte die Füße züchtignebeneinander. Der
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