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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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jünger, dachte Cäcilie.
    »Caesar! Wir müssen weg von hier. Ich möchte keine Minute länger in dieser Gegend wohnen, wo immerzu Menschen umgebracht werden.«
    Der Hausherr gab sich erstaunt. »Wir leben in einer ruhigen Gegend, Anna Louise. Hier passiert nie etwas. Wir hatten noch nie einen Toten.«
    »Aber jetzt haben wir einen Mord. Nicht sehr weit von uns entfernt. Ich fühle mich hier nicht mehr sicher.«
    Cäcilie warf ihrer Mutter einen schnellen Blick zu. Wieder die alte Leier, dachte sie.
    »Der Mord ereignete sich am Herrengraben in der Neustadt«, sagte Caesar Schröder. »Das ist in der Nähe des Hafens, also nicht vor unserer Tür.«
    »Wir sollten überhaupt nicht hier wohnen, mit oder ohne Mord. Dieser alte Kasten ist nicht standesgemäß. Er ist viel zu wenig repräsentabel. Ich möchte in eines der großen, neuen Häuser am Jungfernstieg ziehen.«
    Wusste ich’s doch, dachte Cäcilie.
    Caesar Schröder warf empört seine Serviette auf den Tisch. »Der Herr hat uns beim großen Brand verschont, weil wir gottgefällig sind. Wir leben bescheiden und frönen nicht der Völlerei. Er hat uns diesen Platz zugewiesen, damit wir unser Feld beackern. Sollen wir Gott für seine Nachsicht strafen?«
    Cäcilie senkte den Kopf und lächelte. Ihr Vater war zwar nicht gläubig, doch wenn es ihm sinnvoll erschien, benutzte er Gott ohne Skrupel für seine Zwecke. Mit ziemlichem Erfolg, denn damit war die Diskussion ein für alle Mal beendet. Wobei »ein für alle Mal« höchstens ein paar Wochen umfasste, denn Cäcilie wusste, wie hartnäckig ihre Mutter sein konnte.
    Die Kochfrau brachte den letzten Gang.
    »Grießbrei!«, rief Alexander erfreut und stürzte sich auf den Teller.
    »Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte die Kochfrau. »Der kalte Braten für das Abendbrot steht in der Speisekammer.«
    Das Mädchen räumte ab. Als es versehentlich Alexanders Arm streifte, fiel ein Teller zu Boden. Hastig sammelte es die Scherben auf und stolperte mit hochrotem Kopf zur Treppe.
    »Ich verstehe nicht«, murrte Madame, »dass die Kochfrau jetzt geht, wo wir noch beim Essen sind.«
    »Sie arbeitet nur vormittags, liebste Frau Mama«, sagte Cäcilie.
    Madame schnaubte empört. »Wenn sie wenigstens gut kochen könnte. Immer gibt es diese Hausmannskost, die sie in ihrem Dorf gelernt hat. Und dann das Hausmädchen! Die ist völlig ungelenk mit ihrem dicken Pferdehintern. Überall eckt sie an.«
    Caesar Schröder und Alexander schnappten empört nach Luft, Cäcilie schaute demonstrativ an ihrer Mutter herunter und blieb an deren ausladenden Hüften hängen.
    »Hatte Elbrand Feinde, Herr Papa?«, fragte Cäcilie nach einer Zeit des Schweigens.
    Caesar Schröder zog die Schultern hoch. »Jeder Kaufmann hat Feinde. Und ein erfolgreicher hat besonders viele Neider.«
    »Sie könnten sich vielleicht umhören, Herr Papa, ob ihm jemand etwas Böses wollte. Sie treffen doch jeden Tag halb Hamburg an der Börse.«
    »Unmöglich! Ich bespitzele keine Geschäftsfreunde«, entgegnete Caesar Schröder entrüstet und mit hochrotem Kopf. »Außerdem ist Mord nicht üblich unter Kaufleuten. Wenn wir jemand erledigen wollen, treiben wir ihn in den Konkurs.«
    Cäcilie spielte nachdenklich mit dem Messer. »Vielleicht ist die Börse doch nicht der richtige Ort   …« Sie prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Schneide. »Abendgesellschaften! Das ist es. Auf Abendgesellschaften wird viel geredet. Über Gott und die Welt. Ganz sicher auch über diesen schrecklichen Mord.«
    Caesar Schröder schlug mit der flachen Hand so heftig auf den Tisch, dass die Gläser hochsprangen. »Cäcilie, mäßige dich! Frauen sind für das Haus zuständig und nicht für Dinge, die außerhalb geschehen.« Er musterte seine Familie, einen nach dem andern, mit einem bösen Blick. »Außerdem gehen wir nicht auf Abendgesellschaften.«
    Am anderen Ende der Tafel knallte Madame ihr Glas auf den Tisch. »Doch! Wir gehen auf Abendgesellschaften. Meine Eltern bemühten sich immer um Einladungen, das war eine gesellschaftliche Verpflichtung. Aber in diesem alten Speicher wird man ja lebendig begraben.« Sie tupfte mit der Serviette das Bier auf, das aus dem Glas geschwappt war. »Außerdem müssen Alexander und Cäcilie lernen, wie man sich in großen und vornehmen Gesellschaften bewegt.«
    Alexander streckte abwehrend die Hände von sich. »Abendgesellschaften«, stöhnte er, »endloses Gequatsche über Kleider und über Könige, Prinzen und Fürsten. Nicht mit

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