Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
hat jemand Geld von ihm genommen.«
»Herr Stove!« Der Kontorvorsteher hatte einen roten Kopf bekommen und nestelte nervös an seinem steifen Kragen herum. »Ich möchte hiermit klarstellen, also ein für alle Mal klarmachen, dass weder die Kaufmannschaft noch die Deputierten noch der Rat der Stadt Hamburg bestechlich sind. Das trifft auch auf die Bürger zu, auf diese im Besonderen, wir leben schließlich in einem unbescholtenen Gemeinwesen.« Nach dieser langen Rede, die Harms überraschenderweise zu Ende gebracht hatte, musste er erst einmal Luft holen. Doch dann legte er wieder los: »Also, wie gesagt, ohne mich wiederholen zu wollen, oder wenn doch, dann nur der Deutlichkeit wegen: Wir sind ein honorables Gemeinwesen, das nur dem Wohle der Bürger und dem Fortschritt verpflichtet ist.« Er hatte den Zeigefinger erhoben, fuchtelte damit in der Luft herum und blickte strafend um sich. »Im Übrigen steht es Ihnen als Gast unserer Stadt nicht zu, über diese Dinge, die sich wahrscheinlich Ihrem Urteil entziehen, zumindest, soweit es den großen Zusammenhang betrifft …« Jetzt hatte Harms doch wieder das Ende des Satzes verloren. Er blickte Roger böse an. »Arbeiten Sie weiter, Herr Stove«, sagte er kurz. Dann blickte er auf Moritz, als würde er seiner jetzt erst gewahr werden. »Was machst du hier? Wenn du nicht sofort auf deinen Platz verschwindest, werde ich dir nachhelfen, sozusagen deinen Bewegungsdrang befördern, handgreiflich, wenn es sein muss.«
In diesem Augenblick donnerte der Klopfer gegen die Tür des Hauses. Moritz hörte das Schlurfen des Hausmeisters, die schwere Eingangstür knarrte in den Angeln, dann war eine laute, befehlsgewohnte Stimme zu vernehmen. Der Gärtner stieg ohne Eile die Treppe hinauf, durchquerte schlurfend das Kontor, schob den Vorsteher beiseite, als sei er ein lästiges Insekt, betrat Caesar Schröders »Heiligtum« und schloss gewissenhaft die Tür hinter sich. Kurz darauf schoss Caesar Schröder mit hochrotem Kopf aus seinem Büro, den Gärtner hinter sich herziehend. Beide verschwanden nach unten.
Da stimmt was nicht, dachte Moritz. Kaufmannsknechte mit Aufträgen ihrer Herren konnten es nicht sein, die da unten in der Diele warteten, denn die fertigte der Kontorvorsteher alleine ab. Es konnten aber auch keine Ewerführer mit Waren gekommen sein, da sich der Speicher von Schröders & Westphalen am Ness befand. Und wenn es andere Kaufleute gewesen wären, hätte Caesar Schröder den Kontorvorsteher mitgenommen und nicht den Gärtner.
Alexander rieb sich wieder nachdenklich die Nase, Roger Stove starrte teilnahmslos auf sein Pult und schien nichts zu bemerken, Harms stand verloren im Raum. Er war sich offensichtlich nicht sicher, ob er seinem Patron folgen sollte. Schließlich rieb er verlegen die Hände aneinander, als wäre ihm kalt, sagte etwas, das nach »Nun, wie auch immer« klang und ging gemessenen Schrittes und erhobenen Hauptes zu seinem Pult zurück.
Plötzlich polterte es auf der Treppe. Es hörte sich an, als würde eine Abteilung der Bürgerwehr in den ersten Stock hinaufsteigen, doch es waren nur Caesar Schröder, ein Mann in einem dicken, dunkelblauen Mantel und drei Polizeioffizianten. Der Mann im Mantel blieb vor Roger stehen.
»Sind Sie Stove?«
Roger stierte ihn mit seinen rotgeränderten Augen an. »Yes, Sir«, sagte er ruhig, »ich bin Roger Stove. Und wer sind Sie?«
Der Mann ging nicht auf die Frage ein. »Sie sind festgenommen«, schnarrte er. »Sie werden des Mordes an dem Werftbesitzer Elbrand verdächtigt.«
Eine bleierne Stille legte sich über den Raum, das Ticken der großen Standuhr war überdeutlich zu vernehmen. Moritz fühlte einen merkwürdigen Geschmack im Mund, irgendwie pelzig. Seine Zunge fuhr über die Lippen, als würde sie nicht zu ihm gehören.
Roger Stove rührte sich nicht. Er schaute den Mann im blauen Mantel verständnislos an. »Interesting«, sagte er, mehr nicht.
Zwei Polizeioffizianten nahmen Roger in die Mitte, der Mann mit dem blauen Mantel setzte sich an die Spitze des Zuges, der dritte Offiziant bildete die Nachhut. So steuerten die vier Männer und der Verhaftete auf die Treppe zu.
»Halt!«
Die Stimme Caesar Schröders donnerte durch den Raum, in dem die Kontorbediensteten hilflos herumstanden. Der Mann im blauen Mantel reagierte nicht, ebenso wenig wie die Offizianten. Doch sie alle hatten nicht mit der Wendigkeit des Hausherrn gerechnet. Plötzlich stand er vor ihnen, hoch aufgerichtet, in
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