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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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weil die Tage nicht nur länger hell, sondern auch wärmer geworden waren.
    Wenn er am frühen Morgen den Klopfer anhob und ihn gegen die Tür des alten Handelshauses fallen ließ, passierte zunächst überhaupt nichts. Dann, nach ein paar Minuten, hörte er schlurfende Schritte auf dem Steinboden, die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, der Gärtner ließ ihn herein.
    Der alte Mann mit dem muffigen Gesicht wurde im Winter mit allerlei Hilfstätigkeiten betraut. Er musste Holz und Kohlen besorgen, Vorräte an Lebensmitteln, Wein und Bier einlagern und das Haus bewachen. In der warmen Jahreszeit lebte und arbeitete er jedoch auf dem Gewese in Hamm, dem Sommersitz der Familie Schröder. Dort blühte er richtiggehend auf, war freundlich und umgänglich. Moritz hatte ihn sogar schon einmal dabei beobachtet, wie er mit seinen Blumen sprach. Nur wenn Caesar Schröder dort eine der prächtigen Gesellschaften veranstaltete, kehrte sein muffiges Wesen zurück, weil er zu Recht um seine Rosen fürchtete, die den Damen von ihren Verehrern überreicht wurden.
    Täglich überlegte sich Moritz, ob er das Holz im Ofen aufs Neue anzünden sollte, hatte doch Kontorvorsteher Harms den sparsamen Umgang mit Heizmaterial angemahnt. Doch jedes Mal streckten ihm Alexander und Roger ihre Hände entgegenund fragten, ob er verantworten könne, dass sie die Korrespondenz mit steif gefrorenen Fingern erledigten müssten.
    Inzwischen war das Eis auf der Elbe und in den Fleeten fast vollständig verschwunden, und die letzten Reste wurden vom anhaltenden Südwestwind weggeschmolzen. In dem Maße, in dem das Eis verschwand, kamen mehr Schiffe nach Hamburg, und jedes Schiff bedeutete auch ein Mehr an Arbeit im Kontor. Sowohl der Kontorvorsteher als auch die beiden Commis waren froh, dass es jetzt abends länger hell blieb, und nicht selten wurde Harms bei Caesar Schröder vorstellig wegen einiger zusätzlicher Kerzen.
    Mehrmals in der Woche kam Cäcilie aus dem zweiten Stock herunter und drangsalierte Moritz mit unbekannten Wörtern, die er schreiben sollte und von denen er nicht einmal wusste, dass es sie gab. Und dann waren da auch noch diese vertrackten Wörter mit einem »ie« und einem »th« an Stellen, an denen er keine vermutete. Und welche mit »ieh«, die ihn in völlige Verzweiflung stürzten. Cäcilie war duldsam, wenn er mit der deutschen Sprache kämpfte, doch manchmal hatte auch ihre Geduld Grenzen.
    »Moritz Forck, du bist ein Trottel!«
    »Woher soll ich wissen, dass Donner mit ›er‹ am Ende geschrieben wird? Alle Leute, die ich kenne, sagen ›Donna‹   …«
    »Es geht nicht darum, wie ein Wort ausgesprochen wird. Du musst die Schriftsprache können, wenn du Commis und Kaufmann werden willst.«
    Moritz rammte den Federkiel ins Tintenfass. »Ich will überhaupt kein Kaufmann werden!«
    Cäcilie hatte sich gefasst. Sie lächelte Moritz zuckersüß an. »Du musst aber Kaufmann werden, und zwar ein erfolgreicher. Dann hat Papa sicherlich nichts dagegen, wenn ich dich heirate.« Sie machte eine kleine Pause, in der ihr Lächeln erstarb. »Mutter hätte auch nichts dagegen   … obwohl   … da bin ich mir nicht ganz sicher.« Sie überlegte kurz. »Vielleicht müsstest du zusätzlichKonsul werden oder einen Adelstitel haben. Vielleicht auch Bürgermeister sein. Nein, Bürgermeister wäre zu wenig.«
    Das genau war die Stelle, an der sich Moritz aus dem Gespräch zurückzog. Er wollte kein Kaufmann werden, ihm grauste es bei der Vorstellung, sein Leben lang Papier vollschreiben zu müssen. Und Cäcilie heiraten? Eigentlich wollte er lieber Quartiersmann werden und Jette Jacobsen heiraten, wenn es unbedingt sein musste. Oder nur Quartiersmann werden   …
    Eines Morgens erschien Roger im Kontor mit einem Gesicht, als habe er das Geld seines Vaters im Casino verspielt. Er sprach den ganzen Vormittag kein Wort, war aber so wütend, dass er mehrere Federkiele zerbrach. Als die Schröders und auch Harms zum Mittagessen gegangen waren, machte er zum ersten Mal an diesem Tag den Mund auf. »Lass uns an diesen Alstertümpel gehen. Ich brauche frische Luft. Hier in der Stadt riecht es nach Schimmel und Verwesung!«
    Sie steuerten eine abgelegene Stelle am Alsterbecken an, wo sie sich ungestört unterhalten konnten. Roger senkte den Kopf, zog seine dichten Augenbrauen zusammen und reckte das Kinn vor. Er erinnerte Moritz an einen angreifenden Stier.
    »Der Rat der Stadt will diesen Entwurf der Hebemaschine ernsthaft prüfen«, stieß er

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