Im Schatten des Mondlichts - das Erbe
gibt es? Du willst mit mir reden.« Iker trat zurück, lehnte sich an den Kühlschrank und sah sie auffordernd an. »Geht es um Pilar?«
»Ja, es geht um Pilar.« Naomi stellte die Kartoffelschüssel auf das Abtropfgitter. »Sie ist in Roman verliebt und das macht Pilar für mich zu einem Problem, mit dem ich mich nicht herumärgern will. Wir haben zwar unsere eigene Wohnung, aber trotzdem werden die beiden ständig aufeinandertreffen.«
»Traust du Roman nicht?«, fragte Iker.
»Ich traue Pilar nicht. Was geht in ihrem Kopf vor?« Mit Schwung ließ sie einen Topf ins Wasser plumpsen und wandte sich wieder Iker zu. »Wie muss ich sie einschätzen? Wie soll ich mir ihr umgehen? Und warum sucht sie sich nicht einfach jemand anderen?«
»Pilar hat gelernt, eine Schutzwand aufzubauen. Sie denkt nicht mehr so laut wie früher, also fange ich nicht alles auf, was ihr durch den Kopf geht. Aber du hast recht. Sie liebt Roman noch immer. Ob das ein Grund ist, ihr zu misstrauen, weiß ich beim besten Willen nicht. Sie ist froh, bei uns zu sein, endlich jemanden zu haben, der ihr Schutz bietet und eine Gemeinschaft. Aber sie ist, wie wir alle, dazu verdammt, sich nur ein einziges Mal zu verlieben, und wenn ihre große Liebe Roman ist, dann kann sie das nicht einfach abschalten. Sie muss damit leben. Und du musst damit leben. Versucht also beide damit klarzukommen.«
»Als ob das unter einem Dach so einfach wäre. Unmöglich. Ich erinnere mich sehr deutlich, wie es mich innerlich zerrissen hat, als ich Roman aufgeben musste. Ähnlich muss es Pilar jetzt gehen. Irgendwann wird sie durchdrehen.« Naomi wandte sich ab und begann den Topf zu schrubben. »Und ich werde mir die Schuld geben, weil wir bei euch eingezogen sind.«
»Hey.« Iker legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. »Ich bin auch noch da, vergessen? Ich achte darauf, ob sich Pilar verändert, was sie denkt und was sie tut. Keine Sorge. Glaubst du etwa, Romina und ich hätten nicht darüber nachgedacht?«
Aus dem Wohnzimmer hörte Naomi muntere Stimmen und Pilars Lachen. Ihr stand in diesem Moment nicht der Sinn nach Gesellschaft. Sie bevorzugte es, Pilar an diesem Abend nicht mehr über den Weg zu laufen. »Dann geh hinüber ins Wohnzimmer und fang gleich damit an.«
Iker schüttelte den Kopf, drehte sich um und verließ wortlos die Küche. Irgendwie beruhigte sie Ikers Erklärung nicht. Er konnte Pilar allenfalls zum Teil kontrollieren, aber nicht immer und mit Sicherheit nicht überall. Das vermochte niemand. Und genau das ängstigte sie. Sie musste Pilar im Auge behalten; und sie musste mit Roman reden.
Ihre Angst und ihre Wut tobte sie an den schmutzigen Töpfen aus.
War sie eifersüchtig? Nein. Es fühlte sich anders an. Bedrohlich. Trotz Ikers Worten ließ das beklemmende Drücken in ihrer Brust nicht nach.
Nachdem sie den letzten Kochtopf abgetrocknet hatte, trottete sie in Richtung Wohnzimmer. Einige Schritte vor der Tür blieb sie stehen. Sie wollte allein sein. Doch die Höflichkeit verlangte es, dass sie wenigstens allen eine Gute Nacht wünschte, auch wenn sie sich viel lieber still und heimlich in ihre neue Wohnung verzogen hätte. Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, trat sie ein und verabschiedete sich mit den Worten, sie sei müde von der Reise und gehe ins Bett.
In ihrem Schlafzimmer ging Naomi zum Fenster, öffnete es und sog die frische Luft in ihre Lungen. Die Sonne stand tief am Himmel und die Bäume warfen lange Schatten auf die Rasenfläche. Sie überlegte, was sie zu Roman sagen sollte. Dass Pilar ihn anstrahlte und ihrem Blick auswich? Dass ihr Pilars Gesichtsausdruck nicht gefiel, wenn sie Kai ansah? Egal, was sie ihm sagte, es würde sich anhören, als wäre sie eifersüchtig.
Pilar liebte Roman immer noch, und daran würde sich nichts ändern. Das zeigte die Vergangenheit. Nur, warum mussten sie unter einem Dach leben? Das verkomplizierte alles. Sie käme nie über die Niederlage hinweg, wenn sie Roman ständig sehen würde. Am liebsten würde sie Pilar aus dem Haus wissen. Aber das wäre ungerecht. Keiner aus ihrer Familie verwandelte sich, und ohne die Unterstützung des Clans wäre die Gefahr zu groß, dass sich Pilar wieder mit ihren Feinden zusammenschloss, nur um nicht mehr alleine zu sein. Im Grunde wusste Naomi, dass die Entscheidung, sie hier wohnen zu lassen, die einzige Möglichkeit war, sie unter Kontrolle zu halten, bis sie gefestigt genug wäre, ihr eigenes Leben zu meistern.
Naomi legte sich auf ihr
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