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Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Titel: Im Schatten des Mondlichts - das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Bidell
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die Gelegenheit, sie danach zu fragen.
    Als Naomi mit Brenda den Speisesaal betrat, saßen Romina und Leandra schon beim Frühstück. Romina erhob sich und schenkte beiden eine Tasse Kaffee ein.
    Naomi setzte sich und griff nach einem Brötchen. Der Geruch von Rühreiern hing verführerisch in der Luft.
    Brenda ging zur Getränketheke, holte sich ein Glas Saft und setzte sich an den Tisch. »Ich gehe gleich los. Nicht, dass ich Ichtaca um ein paar Minuten verpasse. Bei der Tänzergruppe weiß man nie, wann sie auftaucht.« Mit einem Zug trank sie den Orangensaft leer und erhob sich.
    »Kann ich mitkommen?«, fragte Naomi, die ohne eine Antwort abzuwarten aufstand und gleichzeitig in das trockene Brötchen biss.
    »Nimm das Brötchen mit, und falls du es belegen willst ... so viel Zeit haben wir dann doch.«
    Naomi riss mit den Fingern das Brötchen auseinander, legte je eine Scheibe Schinken und Käse darauf, griff nach Rominas Saftglas und trank es aus. »Danke für den Saft. Wir müssen los.« Mit einem breiten Grinsen quittierte sie Rominas überraschten Gesichtsausdruck.
    »Wenn ihr ihn gefunden habt, dann sagt Bescheid«, sagte Leandra und zeigte auf ihr Telefon. »Wir finden euch dann schon.«
    Naomi nickte und folgte Brenda aus dem Speisesaal.
    Brenda blieb vor dem Fußgängerüberweg stehen. Eine Blechlawine aus dahinkriechenden Fahrzeugen schob sich an ihnen vorbei. Obwohl die Fußgängerampel auf Grün schaltete, hielt niemand sein Fahrzeug an, bis der Verkehr automatisch wegen des hohen Aufkommens zum Stillstand kam. Brenda schlängelte sich durch die Fahrzeuge. Naomi betrachtete fasziniert die vielen VW-Käfer. Bei jedem zweiten Auto handelte es sich um einen grünen oder gelben Käfer. In Deutschland war es eine nostalgische Ausnahme, noch so ein altes Modell auf der Straße fahren zu sehen. Doch hier schien beinahe jeder einen zu besitzen.
    Kaum betrat Naomi den Zocaló, spürte sie wieder diese Kraft in sich aufsteigen. Ihre bleierne Müdigkeit wich einer unbändigen Vitalität.
    Auf dem Platz tummelten sich Straßenverkäufer, die auf wackeligen Ständen Obst und Säfte anboten, andere wiederum verkauften abgepackte Tüten mit Erdnüssen oder Backwaren. Menschentrauben wurden von den U-Bahn-Stationen ausgespuckt oder vom Erdboden verschlungen, sobald sie die unterirdischen Bahnhöfe aufsuchten.
    Brenda sah sich suchend um.
    Naomi beobachtete die fremden Menschen und aufgrund der vielen ungewohnten Eindrücke vergaß sie sogar ihr belegtes Brötchen. Vor der Kathedrale standen Männer mit Schildern in der Hand. Die Aufschrift verstand Naomi nicht. »Was steht auf den Schildern?«, wandte sie sich an Brenda.
    »Das sind Männer auf Arbeitssuche. Sie bieten ihre Dienste als Klempner, Automechaniker oder für sonstige Tätigkeiten an. Wer einen Job zu vergeben hat, kommt hierher und verhandelt den Preis. Leider gibt es nicht genug Arbeit für alle. Manche werden noch heute Abend hier stehen und auf einen Auftrag hoffen.« Brenda blieb stehen und hielt weiter Ausschau nach der Gruppe. »Sie sind nicht da. Leider.«
    »Es ist doch noch früh. Sie werden schon kommen.« Naomi bestaunte die handgeflochtenen Körbe einiger Indiofrauen, die ihre Waren auf einer Wolldecke ausgebreitet anboten und neben ihren Produkten auf der Decke saßen.
    Nur einen Meter weiter zog ein junger Mann einen Blechvogel auf, der sich unter lautem Geknatter in den Himmel schraubte, nur um kurz darauf nach einem Sturzflug auf der Wolldecke eines anderen Verkäufers, der Kugelschreiber und Feuerzeuge anbot, zu zerschellen, was Auftakt zu einem Schimpfkonzert war.
    Etwas abseits stand eine Gruppe von Menschen mit Gasmasken und Schildern. Als Naomi fragte, was sie damit ausdrücken wollten, erklärte ihr Brenda, sie demonstrierten gegen die hohe Luftverschmutzung in der Stadt. Zwar gäbe es eine Regelung, nach der die Fahrzeuge, deren Nummernschilder mit einer geraden Ziffer endeten, an einem Tag fahren dürften, die mit der ungeraden Ziffer am darauf folgenden Tag, doch wer es sich leisten konnte, schaffte sich einfach einen Zweitwagen an, um immer ein fahrberechtigtes Fahrzeug zur Verfügung zu haben.
    Das Geschrei der Straßenhändler, der Arbeitssuchenden und der Demonstranten, gepaart mit dem Hupen der Busse und Autos endete in einem wilden Crescendo, das begleitet wurde von einem Geruchsmix aus Maistortillas, Weihrauch, süßem Parfum und den allgegenwärtigen Abgasen.
    Hier leben zu müssen wäre Naomis Albtraum. Als sie sich

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