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Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Titel: Im Schatten des Mondlichts - das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Bidell
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verstand sie immer noch nicht vollständig.
    Während Naomi am Gepäckband auf ihre Reisetasche wartete, nutzte sie die freien Minuten, um mit Roman zu sprechen. Obwohl es in Deutschland erst sieben Uhr morgens war, meldete er sich sofort. Sie erzählte ihm, dass sie tatsächlich einige Stunden geschlafen hätte und sie aufgrund der aufregenden Situation überhaupt nicht müde sei. Sie versprach, sobald sie Romina und Leandra getroffen hatte, eine SMS zu schicken, damit er in Ruhe weiterschlafen konnte. Die Textnachricht tippte sie gleich in ihr Handy, dann musste sie nur noch auf Absenden drücken. Später würde sie vermutlich nicht mehr die Gelegenheit haben, Nachrichten zu schreiben.
    Vor der Ankunftshalle wuselten die Menschen umher, wie ein aufgescheuchter Ameisenhaufen. Naomi presste ihre Reisetasche an sich und suchte zwischen den dunkelhäutigen Mexikanern nach einer Nonne. Vergeblich. Auch Leandras heller Haarschopf stach nicht aus der Masse hervor. Das Stimmengewirr wurde immer wieder unterbrochen vom Geschrei der herumstehenden Taxifahrer.
    Mit einer ruckartigen Bewegung fuhr sie herum, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Im selben Augenblick sah sie in Rominas Gesicht und Naomi entwich ein erleichterter Seufzer. »Und ich dachte, um diese Uhrzeit sei der Flughafen verwaist. Hier geht es schlimmer zu, als auf einem arabischen Markt.«
    Romina lächelte sie an. »Mit so einem Getümmel habe ich auch nicht gerechnet. Ohne Brenda würden sie uns für die Taxifahrt wahrscheinlich das doppelte abknöpfen.«
    »Wo sind Oma und Brenda überhaupt?«, fragte Naomi, nachdem sie beide nicht entdecken konnte.
    »Die warten draußen bei den Taxen. Brenda verhandelt vermutlich immer noch den Fahrpreis. Für eine Nonne ist sie ziemlich streitsüchtig.« Romina zog sie mit sich durch die Ankunftshalle. Die Luft im Gebäude betrug durch die zu hoch eingeschaltete Klimaanlage vielleicht achtzehn Grad Celsius und Naomi fror in ihrem T-Shirt.
    Als sich die Schiebetüren zur Straße hin öffneten, lief Naomi wie gegen eine Wand. Durch den abrupten Temperaturwechsel blieb ihr auf offener Straße regelrecht die Luft weg. Nach Auspuffgasen stinkende Luft schlug ihr entgegen, gepaart mit einer Geräuschkulisse, die Naomi in solcher Lautstärke noch nie erlebt hatte.
    »Komm schon«, drängte Romina und bahnte ihnen einen Weg durch die Menschenmenge.
    Naomi folgte ihr und lauschte dem Stimmengewirr, was sie an einen laut summenden Bienenstock erinnerte. Im Sekundentakt drückte irgendjemand auf die Autohupe. In zwanzig Metern Entfernung entdeckte sie Leandra, die an einem laubfroschgrünen VW-Käfer lehnte und in ihre Richtung sah. Naomi reckte den Arm in die Luft und winkte ihr.
    Leandra lächelte und schüttelte den Kopf, als Naomi sie zur Begrüßung umarmte. »Brenda nennt uns verrückt, aber sieh dir nur an, was für ein Taxi sie für uns ausgesucht hat. Sie meinte, mit dem Käfer kommen wir besser durch das Verkehrschaos.«
    Naomi spähte ins Innere. Auf der Rückbank saß Brenda. Naomi grüßte sie und wunderte sich darüber, dass Brenda Jeanshosen und eine Baumwollbluse trug und nicht ihre Nonnentracht. Das Auto besaß nur zwei Türen, doch das hinderte den Taxifahrer nicht, seine Dienste mit diesem Fahrzeug anzubieten. Um den Fahrgästen den Einstieg zu vereinfachen, hatte er kurzerhand den Beifahrersitz ausgebaut und an dessen Stelle eine gepolsterte Klappstuhlkonstruktion eingebaut, die weit weniger Platz einnahm, als der ursprüngliche Sitz.
    »Weißt du jetzt, was ich meine? Verkehrssicherheit sieht anders aus.« Leandra kroch ins Wageninnere, um neben Brenda Platz zu nehmen. »Wer von euch beiden diesen Notsitz nimmt, überlasse ich euch. Meine alten Knochen leiden in diesem Gefährt ohnehin schon genug.«
    Brenda zog eine Augenbraue nach oben. »Diese Käfer verfügen über die besten Federungen aller Fahrzeuge in ganz Mexiko. Deine Knochen werden die Fahrt besser überstehen, als in jedem anderen Wagen hier.«
    Naomi bedeutete Romina, sich nach hinten zu setzen. Nachdem Leandra, Brenda und Romina auf der Rückbank saßen, reichte Naomi ihnen ihre Reisetasche, da im vorderen Bereich kein Stauraum war und sie sich sicher war, sich mit beiden Händen abstützen zu müssen.
    Der Taxifahrer schloss die Beifahrertür und stieg ebenfalls ein. Naomi konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als sie auf dem mit Samt ausgefütterten Armaturenbrett die Figur einer halb nackten Hawaiianerin im Baströckchen entdeckte.

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