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Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Bidell
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wünschte. Großmutter drückte sie fest an sich. So viel Kraft hätte sie dieser kleinen Person gar nicht zugetraut. »Denk an das, was ich dir gesagt habe, ja?« Über das Gesicht ihrer Oma liefen Tränen. Naomi löste sich aus der Umarmung und sah ihr fest in die Augen. »Macht euch keine Sorgen, ich komm schon klar.« Sie umarmte nochmals schnell ihre Mutter und eilte zur Sicherheitskontrolle. Ihre Augen schwammen in Tränen.
    Sie packte die Sporttasche und den Bauchgurt in die Schale vor dem Durchleuchtungsgerät, wischte sich die Tränen aus den Augen und winkte den beiden Frauen zu; sie standen immer noch dort, wo sie sich verabschiedet hatten; Arm in Arm sahen sie ihr nach, um einen letzten Blick auf sie zu erhaschen. Naomi lächelte tapfer, bevor sie durch das Tor mit den Metalldetektoren ging, die sofort piepten. Sie hatte vergessen, ihren Gürtel abzunehmen.
     
    »Letzter Aufruf für den Flug 8764 nach London«, dröhnte die Lautsprecherstimme. Naomi stürmte aus der Toilette. Ihr Magen hatte sich immer noch nicht beruhigt. Hoffentlich gab er endlich Ruhe. Sie flitzte zum Abflugschalter, fasste sich an den Bauch, um aus dem Gurt die Bordkarte und den Ausweis zu ziehen. Nichts. Der Gurt war nicht da. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie hatte ihn an die Toilettentür gehängt, als er ihr im Weg gewesen war. Sie machte der Stewardess ein Zeichen und rannte zurück zur Toilette. An der Tür baumelte die Bauchtasche. Sie schnappte sie vom Haken, zog das Ticket heraus. Die Stewardess lächelte sie freundlich an. »Die erste Reise?«
    Naomi nickte mit betretenem Gesicht. Wie hatte ihr das nur passieren können? In der Tasche hatte sie Geld, Ticket, Pass, Adresse der Uni; alles, was sie dringend benötigte. Sie strich sich die Haare zurück, nahm den Ticketabschnitt entgegen und ging die Gangway entlang.
    Naomi hörte die brüllenden Motoren und entspannte sich allmählich. Sie saß in der Maschine. Das war das Einzige, was zählte. Sie starrte aus dem Fenster. Das Flugzeug beschleunigte, und die Umgebung sauste an ihr vorbei. Die Maschine hob ab. Die Häuser und Bäume wurden immer kleiner, bis sie aussahen, wie die Miniaturlandschaft von Karstens Eisenbahn. Selbst die Elbe zog sich nur noch wie ein blauer Regenwurm durch die Landschaft. Hamburg verschwand aus ihrem Blickfeld. Je weiter sie sich entfernte, desto verlassener fühlte sie sich. Sie kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder.
    Bis die Maschine in London landete, hatte sich Naomi wieder gefangen. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, sie müsse nicht in Maine bleiben, sondern könne jederzeit das Semester abbrechen und zurück nach Hamburg fliegen. Während des Weiterflugs nach New York grübelte sie darüber nach, wie es in Stillwater wohl aussähe. Die Bilder, die sie im Internet gefunden hatte, waren nicht eben aufschlussreich gewesen. Viel Wald, da konnte sie herrlich joggen. Je mehr sie sich mit ihrem Ziel beschäftigte, desto neugieriger wurde sie; ihre Traurigkeit löste sich, wie die Kondensstreifen, in Luft auf.

Drei
     
    Naomi war in der Wildnis gelandet. Soviel stand fest. Beim Anflug hatte sie nur Wälder gesehen, Wälder und Seen. Selbst Bangor schien ihr ein Nest mit Kleinstadtcharakter. Ihre Vorfreude wich Enttäuschung. Hier gab es mit Sicherheit nur verschrobene Hinterwäldler und hausbackene Frauen, deren Sprösslinge eine Miniaturausgabe der Eltern waren. Sie würde vor Einsamkeit umkommen.
    Naomi zerrte die beiden Koffer hinter sich her. Sie winkte nach einem Taxi, um nach Orono zu kommen. Der Taxifahrer trug einen struppigen Vollbart und ein kariertes Holzfällerhemd, was Naomi in ihrer Meinung bestätigte. Wenn der Mann jetzt noch Kautabak auf die Straße spuckte, würde sie in die nächste Maschine steigen und nach Hause fliegen.
    Der Fahrer stieg aus, grinste sie breit an und entblößte eine weiße Zahnreihe, die durch den dunklen Bart blitzte. Sie hatte sich getäuscht. Kein Kautabak, und einen kauzigen Eindruck machte er auch nicht. Der Fahrer stellte sich mit Namen vor, wuchtete die Koffer in den Kofferraum und öffnete ihr galant die Tür. »Wo soll´s hingehen, Lady?«
    Das Lady entlockte ihr ein Lächeln. Vielleicht war es hier doch nicht so rückständig, wie es den Anschein hatte. Und falls doch, fand sie es im Moment noch recht amüsant.
    Naomi nannte Steve ihr Ziel, was er mit einem Nicken quittierte. Sie verließen das Flughafengelände, und nach etwa vierhundert Metern erkundigte sich Steve: »Wollen Sie schnell

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