Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
tolle Zeit«, wiederholte sie.
Bevor sie einen Schluck trinken konnte, klingelte es an der Haustür. Naomi zuckte mit den Schultern, nahm einen Schluck und ging zur Haustür. Vor ihr stand Karsten.
»Hi. Da komme ich ja genau richtig«, grüßte Karsten mit amüsiertem Blick auf das Sektglas.
Naomi schluckte trocken. Mit Karsten hatte sie nicht gerechnet. Sie waren weder verabredet, noch hatte er erwähnt, sie besuchen zu wollen. Naomi suchte nach einer Ausrede; auf die Schnelle wollte ihr keine einfallen. Zum Teufel. Sie war noch nicht bereit für dieses Gespräch. Sie hatte sich die richtigen Worte zurechtlegen wollen. Warum musste er ausgerechnet jetzt unangemeldet auftauchen? Das machte er sonst nie.
»Komme ich ungelegen?« Karsten wich einen Schritt zurück. Er musste ihr Unbehagen gespürt haben. »Ich kann auch wieder gehen.« Er starrte sie an. Sein Lächeln war verschwunden. »Hast du etwa einen anderen Typen da?«
Naomi schüttelte den Kopf und seufzte. »Komm rein.« Sie würde nicht um das leidige Gespräch herumkommen. So viel stand fest. Irgendwann musste sie es ihm sagen; besser sie brachte es gleich hinter sich, bevor er sich auf den angeblichen Typen festlegte. »Geh schon mal in den hinteren Garten. Ich bin gleich bei dir, ja?«
Karsten ging an Naomi vorbei. Sie bemerkte, wie er einen raschen Blick in die Küche warf, bevor er durch die Hintertür verschwand. Naomi betrat die Küche.
»Das war doch eben Karsten oder nicht?«, fragte ihre Mutter.
Naomi stellte das Sektglas ab. »Ja«, brummte sie.
Leandra sah sie verwundert an. »Und warum hast du plötzlich schlechte Laune? Habt ihr euch gestritten?«
»Nein, aber dieser kleine Feigling hier hat ihm noch kein Wort über ihre Pläne gesagt«, antwortete Luna. »Das hat sie nun von ihrer Geheimniskrämerei.«
Naomi nahm zwei Bier aus dem Kühlschrank. »Ach, lasst mich doch in Ruhe!« Sie knallte die Tür zu, dass die Flaschen im Kühlschrank klirrten. Wütend über sich selbst, stapfte sie aus der Küche.
Ihre Mutter lag richtig. Sie war feige. So feige, dass sie am liebsten ohne Erklärung abgereist wäre. Sie hatte mehrfach versucht, mit Karsten zu reden – und jedes Mal einen Rückzieher gemacht. Was wäre gewesen, wenn sie lauter Absagen bekommen hätte? Karsten hätte sie verspottet, und sie wäre wie ein Trottel dagestanden. Im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass er sie nicht ausgelacht hätte; sie selbst hätte sich zu sehr geschämt. Das war der Punkt. Und nun schämte sie sich, dass sie es ihm einfach verheimlicht hatte.
Naomi straffte den Rücken, bevor sie in den Garten hinaustrat. »Hier, das wirst du brauchen.« Mit einem schiefen Lächeln drückte sie ihm eine Flasche Bier in die Hand.
»Was ist denn los?« Karsten fuhr sich durch die Haare. Naomi sah an seinem zerzausten Haarschopf, wie nervös er war. Karsten fuhr sich immer durchs Haar, wenn er nervös war. »Los, rede mit mir und stehe nicht nur so da!«
Naomi ließ sich neben Karsten auf die Bank plumpsen. »Ich bin ein feiges Aas. Das ist los.«
Karsten zog die Stirn kraus und machte eine auffordernde Handbewegung.
»Ich habe mich für ein Auslandssemester beworben. Die Zusage für Maine war heute in der Post. In spätestens sechs Wochen bin ich weg.« Naomi kniff die Augen zusammen, setzte die Bierflasche an und nahm einen tiefen Zug. Sie wartete auf einen wütenden Ausbruch, der nicht kam.
Karstens Stirnfalten verschwanden und um seinen Mund zuckte ein Lächeln. »Feigheit, dein Name ist Naomi.« Kopfschüttelnd lachte er laut los. »Deswegen also die Pulle Sekt!« Er streckte ihr die Bierflasche zum Anstoßen hin. »Warum hast du nichts gesagt?«
Naomi kam sich plötzlich selbst lächerlich vor. »Ich hatte Angst, du würdest mir böse sein.« Sie stieß mit ihrer Flasche gegen seine. Karsten war nicht sauer. Wie hatte sie nur so danebenliegen können? Sie kannten sich seit fünf Jahren, und trotzdem wusste sie nie, wie er reagieren würde. »Du nimmst es mir also nicht krumm, dass ich fortgehe?«
Karsten nahm einen kräftigen Zug. »Blödsinn. Du kommst ja irgendwann wieder, oder?«
Naomi nickte. »Sicher. Es ist ja nur ein Semester.«
Karsten zog sie in die Arme, um ihr einen Kuss aufzudrücken. »Herzlichen Glückwunsch!« Naomi dachte an den Kuss von vor vier Wochen. Der war anders gewesen. Leidenschaftlich. Der Kuss eben war freundschaftlich. Karsten sah ihr direkt in die Augen. »Keine Angst, ich hab´s schon kapiert. Ich weiß auch nicht,
Weitere Kostenlose Bücher