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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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wenig bockig gemacht. Dennoch – jedes einzelne der Pferde war nach seiner Übungsstunde ruhig und entspannt gewesen.
Eric war heute auch wieder zu zwei dringenden Fällen gerufen worden und hatte, während er mit einem Kälbchen kämpfte, das sich weigerte, auf die Welt gebracht zu werden, und später, als er einer Kuh ihre an einem Stacheldrahtzaun abgerissene Zitze annähte und dabei immer wieder von ihr getreten worden war, aus tiefstem Herzen um die baldige Genesung des Gemeindetierarztes gefleht. Nicht, daß er nicht froh darüber gewesen wäre, helfen zu können; aber die neu eingetroffenen Pferde kosteten eine Menge Zeit und Kraft, und er merkte nach den vergangenen harten Tagen und Nächten, daß das sprudelnde Überschäumen, das ihn nach dem Verlassen des Krankenhauses erfüllt hatte, bemerkenswert schnell abgeebbt war. Die zusätzliche Arbeit bei den Farmern hatte ihn so erschöpft, daß ihm alle Knochen schmerzten, als er schließlich seine letzte Aufgabe für den Tag erledigt hatte und ein wenig schwindelig von Lance geglitten war.
Es blieb noch der Kontrollritt. Er hatte vor, die ganze Nacht hier draußen zu verbringen. Die Cochans würden es bestimmt nicht auf sich sitzen lassen, die gestern von Wolf gestohlenen Tiere gleich wieder zu verlieren. Er war sicher, daß sich heute nacht etwas ereignen würde. Und darum hatte er sich ein paar Decken von Claire geliehen und auch ihren Imbiß dankbar angenommen. Es würde eine lange Nacht werden. Wenn er zu schläfrig wurde, würde er ein paar Runden schwimmen, das sollte ihn genügend aufmuntern. – Aber lange konnte es nicht so weitergehen: kein Mensch kann den ganzen Tag hart arbeiten und sich dann auch noch die Nacht um die Ohren schlagen, jedenfalls nicht hintereinander. Auf dem Weg hierher war er mehrmals auf dem Pony eingenickt, und nur sein über viele Jahre trainierter Gleichgewichtssinn hatte verhindert, daß er vornüber vom Pferd fiel, das ihn ebenfalls halb schlafwandelnd die sattsam bekannte Strecke entlangtrug.
Er saß ab und führte das Pony die Anhöhe hinunter Seine Schritte waren schleppend und schwer. Er atmete heftig, und kalter Schweiß brannte auf seiner Haut. Zwei Stunden Schlaf ... zwei Stunden sollte er Zeit haben. Er schloß die Augen und lehnte sich gegen Gray Beard, der unbequem, aber unbeweglich wie ein Fels auf dem unebenen Gelände stand. Er sollte sich doch lieber ein wenig hinlegen. Zwei Stunden ... sie erschienen ihm wie eine köstliche Ewigkeit, in deren Tiefen er Ruhe und Vergessen finden würde. Sein Bewußtsein sank tiefer und glitt beinahe unmerklich durch das Tor zum Schlaf. Er stand noch immer an das Pony gelehnt, als er bereits fest schlief.
    Was ihn geweckt hatte, wußte er nicht. Er fühlte nur eine unerklärliche Unruhe, und die Macht des Mondes war plötzlich wieder sehr laut in seinem Blut. Er hörte es in seinen Ohren rauschen und fühlte das starke, harte Klopfen seines Herzens gegen die Rippen. Gray Beard, der sich nicht gerührt hatte, während Eric wie ein Sack Korn gegen ihn gelehnt stand, drehte den Kopf und stieß ihn mit dem Maul an.
    Eric sah sich um. Sie standen, umgeben von dichten Sträuchern und knorrigen kleinen Bäumen, ungefähr in der Mitte zwischen dem am Grenzzaun entlangführenden Pfad und dem kleinen See, der sein Ziel gewesen war, bis Schwindel und Müdigkeit ihn übermannt hatten.
    Das Sprudeln des kleinen Baches klang laut und frisch in die Stille und weckte seinen Durst. Vorhin hatte er nichts davon gehört. Überhaupt waren seine Sinne jetzt wieder hellwach, und wenn er nun noch einige Schwimmzüge tat, würde er frisch für die ganze noch verbleibende Nacht sein. Gray Beard rutschte an seiner Seite die abschüssigen Stellen hinunter, gelangte auf ebene Erde und strebte dem Bach zu. Auch er war durstig. Doch dann verharrte er und blickte mit straff gespitzten Ohren aufmerksam zum See hinüber. Und da sah es auch Eric: Die silberüberglänzte Oberfläche des Wassers zeigte dunkle Furchen in ihrem glatten Spiegel, verursacht durch die Bewegungen eines Wesens. Er neigte sich ungläubig vor und sah – eine Frau! Emily? Louise? Aber Moment, das Haar ... das Wasser hatte es gedunkelt, aber weder Emily noch Louise hatten so langes Haar. Doch vielleicht täuschte ihn das Licht? Bevor er sicher sein konnte, drehte sie sich mit einer leichten Bewegung auf den Rücken. Er wandte sich um und rieb sich die Augen. Das mußte eine Ausgeburt seiner Phantasie sein. Er war eben doch nicht ausgeruht,

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