Im Schatten des Pferdemondes
einen Schluck.
»Aber wie kommt der Hund durch das Tor im Zaun?«
»Sie öffnen es natürlich für ihn.«
»Kann man sie nicht beim Öffnen oder Schließen stellen?«
»Sie ziehen es aus sicherer Entfernung mit Drähten auf. Die würden bei einer Nachtaufnahme nicht auf dem Foto erscheinen. Sie selbst sind hinter Bäumen versteckt. Und sie haben das Tor so gearbeitet, daß es in seine Fassung springt, wenn die Drähte nachgelassen werden.«
»Aber wie bekommen Sie die Tiere zurück? Sind sie nicht eingesperrt? Schlägt der Hund nicht an, wenn Sie auf das Gelände kommen?«
»Natürlich sperren sie die Tiere ein, aber diese Bruchbuden von Ställen! Es ist nicht schwer, ein paar Planken zu lösen, die Tiere herauszulassen, und die Planken wieder lose zu befestigen. Und der Hund – ja, das ist schon merkwürdig, aber er muckst sich nie, wenn ich da bin, so, als habe er überhaupt keine Lust, sein Revier zu verteidigen. Er ist wohl nur 'n guter Schäfer, aber kein Wachhund.«
»Aber die Leute? Wenn von denen einer Sie je sehen sollte
–«
»Die sind jeden Abend stockbetrunken. Ich höre ihr Gröhlen aus dem Haus. Ab spätestens zwei Uhr in der Früh ist keiner von denen mehr zurechnungsfähig. Die vertrinken alles, was sie sich zusammenstehlen, glaub ich.« Sie streckte ihre Hand nach der Whiskyflasche aus und goß einen guten Schuß in ihren Tee. Eric nahm ihr die Flasche weg: »Sie wollen's denen doch wohl nicht nachtun?«
»Nur noch diesen. Dann werd ich ein gutes Mädchen sein.«
»Ich finde wirklich, Sie sind ein gutes Mädchen. Ein sehr gutes Mädchen.«
Louise schluckte hastig ihr Gemisch hinunter und tastete wie blind nach einer weiteren Zigarette. Eric ließ langsam seinen Whisky auf den Boden tropfen.
»Sie haben wohl das Recht zu wissen, warum ich so eklig zu Ihnen war.«
Ihre Stimme klang ziemlich schwerfällig. »Zum einen: Sie haben mich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen – guten Tag, freue mich, Sie kennenzulernen, Miss Fargus – das war's. Wahrscheinlich würden Sie auch eine Schaufensterpuppe so ähnlich begrüßen. – Und ich sah, wie Mutter Sie beobachtete, Ihnen mit den Blicken folgte, und sie hatte dieses besondere Lächeln, wenn sie mit Ihnen sprach, diese leuchtenden Augen, und immer suchte sie Ihre Nähe. So wie Mutter Sie ansieht, hat sie nur meinen Vater angesehen. Vater war einer wie Sie: groß und gut gewachsen, und sein Lächeln war beinah so unwiderstehlich wie Ihres, und das war auch keine Schau, obwohl er natürlich gelernt hatte, daß er überall gut ankam, besonders bei Frauen. Sie sind ihm wirklich in mancher Hinsicht erstaunlich ähnlich.«
Ein heftiger Schluckauf unterbrach sie, doch sie preßte die Stirn auf die angezogenen Knie und sprach weiter.
»Ich hielt Sie für so was wie einen Mitgiftjäger und auch für einen Quacksalber und Betrüger. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie Sie Excalibur so zutraulich machen konnten, wenn mein Daddy ihm nicht einmal in die Nähe zu kommen wagte. Ich war ziemlich unfair zu Ihnen, ich weiß das jetzt. Aber ich fing erst an nachzudenken, als Sie sagten, Sie würden die Gestütsleitung nicht haben wollen.«
»So habe ich das nicht gesagt.«
»Heißt das, Sie wollen doch?!«
»Nein. Aber das konnte ich Ihrer Mutter wohl schlecht ins Gesicht sagen.«
Sie krauste die Stirn: »Touche! Ich fasse das als eine Lektion in Diplomatie auf. Ich habe mich wirklich wie ein kleines Kind benommen, Sie hatten ganz recht. Selbst von einer Siebenjährigen kann man eigentlich erwarten, daß sie weiß, wann sie wenigstens den Mund zu halten hat.«
»Schätze, Sie waren oft ganz schön müde und entsprechend reizbar, wenn Sie die halbe Nacht hier draußen zugebracht haben.«
»Keine Großmut, Junker Eric«, sagte sie und bemühte sich um einen ironischen Tonfall. »Sie zerstören mein Weltbild sonst ja völlig. Ich habe mich wie eine Närrin aufgeführt.«
»Also gut. Närrin, ich werde Euch als solche behandeln.« Er goß Tee in ihren Becher und hielt ihn ihr hin. »Euer Narrheit sollten noch etwas trinken. – Haben Sie eigentlich keine Freunde? Sie leben hier oben so abgeschieden, verbringen nach der Schule den ganzen Tag auf Sunrise. Sie sollten Kontakt mit Gleichaltrigen haben, Louise; junge Leute, mit denen Sie sich verabreden, mit denen Sie über alles sprechen können. Sie sollten sich nicht hier oben vergraben und versuchen, die Arbeit eines Erwachsenen zu tun. Sie haben doch Verwandtschaft von väterlicher Seite in Glasgow. Würde es Ihnen nicht
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