Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
Vom Netzwerk:
nicht nach dem kurzen Schlaf. Noch einmal blickte er zum See. Sie war noch immer da. Keine Einbildung. Ein Stein löste sich unter seinem unruhigen Schuh und polterte in der silbernen Stille laut in die Tiefe. Da hob sie den Kopf und blickte in seine Richtung. Und dann rief sie seinen Namen.
    Sie kam auf ihn zu und traf ihn auf der flachen Talsohle, ihr nackter Körper glänzend von Nässe unter dem hellen Licht, und schob sich mit einer leichten Bewegung von unbewußt erscheinender Anmut das nasse Haar aus der Stirn – eine Bewegung, die ihre Brust hob und den flachen Bauch spannte. Sein Blick wagte sich scheu über die straffe Wölbung ihrer Hüften hinaus, streifte über die langen, wohlgeformten Beine und floh zurück zu ihrem Gesicht. Sie lächelte ihn völlig unbefangen an und sagte mit einem leisen Lispeln, das ihre Unvertrautheit mit der Sprache verriet. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.«
    Das Lächeln paßte nicht zu ihren Augen, aber das nahm er für den Augenblick nur am Rande wahr. Er räusperte sich. Wie konnte sie so zutraulich sein? Sie kannten einander nicht. Kannten einander nicht? – Eine Kiefer, eine lang auf einem Ast ausgestreckte Gestalt, dunkel und schön und verlockend, mit Augen, deren Tiefen und Verheißungen unauslotbar erschienen; wie ein Blitzstrahl durchzuckte Eric dieses Wiedererkennen.
    Und jetzt stand sie vor ihm, lächelte und sprach zu ihm, als seien sie alte Freunde. Aber er dachte an das Gespräch mit Louise in der letzten Nacht, und er sah darauf wieder das blühende Lächeln und die nicht dazugehörenden Augen, die sich halb unter den Lidern bargen und deren Blick etwas Abwägendes, Berechnendes hatte.
    Unwirsch öffnete er seinen Rucksack und zerrte ein großes Badetuch daraus hervor, das er ihr mit einer brüsken Bewegung hinhielt: »Legen Sie das lieber um, Sie erkälten sich sonst!« Er bemühte sich, sie nicht anzustarren.
    Sie nahm das Tuch, strich damit über ihre von Wasserperlen benetzte Haut, und ließ es dann an sich heruntergleiten. Das Blut raste schmerzhaft in seinen Adern.
    »Das brauche ich nicht, Eric.«
»Woher kennen Sie meinen Namen«, fragte er erstickt. Sie kam näher. »Jeder hier kennt dich. Jeder kennt deinen
    Namen, weißt du das nicht?« Sie hob die Hand und strich über seine Wange. Sie roch gut nach dem frischen Wasser. Er hob den Kopf in Abwehr – wie konnte sie nur so ungeniert sein?
    »Du bist hier so etwas wie eine Berühmtheit.« Die abgeschüttelte Hand glitt über seinen zurückgeworfenen Hals. Eric biß die Zähne zusammen gegen diese Macht, faßte sie bei den Schultern und hielt sie von sich. »Wer sind Sie?«
    »Juanita«, sagte sie erstaunt. »Juanita. Du hast mich schon gesehen. Ich lag auf der Kiefer. Du hast mir direkt in die Augen gesehen. Erinnerst du dich nicht?!«
    »Sie lagen auf einer Kiefer! – Können Sie mir sagen, warum?!«
»Natürlich. Sie ist mein Fluchtpunkt. Von der Kiefer aus schaue ich auf ... Besseres.«
»Besseres! Was heißt das?«
»Besseres, als meine Familie hat. Ich habe das schon oft getan. Und dann sah ich dich, und es ließ mir keine Ruhe mehr. Ich wollte ...«
Sie drängte sich an ihn und zeichnete mit ihren vollen Lippen die unsichtbaren Spuren ihrer Finger auf seinem Hals nach. Er lehnte sich gegen den Baumstamm in seinem Rücken und schloß die Augen. Seine Hände gruben sich fest in die nasse dunkle Haarflut, doch sein Mund war scheu und vorsichtig, als er sich ihrem näherte. Sie war es, die eine Hand heftig um seinen Nacken schlang, ihn zu sich herunterzog und ihn küßte. Sein Blut flammte unter diesem leidenschaftlichen Kuß auf. Er preßte sie an sich, und sie glitten auf die Kühle des Bodens.
Eine innere Stimme ließ ihn innehalten.
Ohne Atem richtete er sich auf. »Nein«, brachte er hervor.
»Caro!« Sie hob ihm die Arme entgegen, doch er schüttelte den Kopf und neigte die Stirn auf die angezogenen Knie, um sie nicht mehr zu sehen. Du bist verrückt, Mann, sagte eine andere Stimme in ihm, du bist ausgehungert, und läßt eine wie diese aus!
Ja, verdammt, tue ich. Und?
Und? – Was ist mit deiner Libido?
Die ist schon ganz in Ordnung. Aber da ist etwas ...
Wahnsinniger!
»Wo ist deine Kleidung?« wandte er sich an Juanita. »Ich hole sie dir.«
»Gefalle ich dir nicht? Te quiero mucho, weißt du, caro. Ich liebe dich sehr.«
»Ohne mich zu kennen?« Lächerlich, wisperte die Stimme der Nüchternheit.
»- Wo ist deine Kleidung?«
»Ich liebe, wie du aussiehst, wie du dich bewegst,

Weitere Kostenlose Bücher