Im Schatten des Pferdemondes
lächerlich.«
Verstört sah sie ihn an, schimmernde Tränen im Gesicht. Bei Gott, sie war eine Schönheit...! Ihre Hände sanken herab wie welkende Blumen.
»Du bist grausam«, murmelte sie erstickt. »Du trittst mich. Weil ich dich liebe.«
Etwas wie Schmerz breitete sich in ihm aus. Seine eigenen Gefühle waren oft getreten worden, er kannte diesen Geschmack von ganz eigenartiger Bitterkeit, den die Demütigung hat. Er kannte ihn gut genug, um ihn nicht einem anderen zufügen zu wollen. Aber er kannte auch die Unaufrichtigkeit in all ihren feinen Nuancen. Er wußte, daß sie falsch spielte. Und er wußte, daß es kein grausigeres Schlachtfeld gibt als das der Seelen der Menschen. Er würde nicht zulassen, daß sie Gefühle in ihm weckte, die ihn zu ihrem Werkzeug machen würden.
»Geh jetzt«, sagte er sanft. »Du solltest nicht hier sein, das weißt du.«
»Schon, wenn du es zuläßt.«
»Nein.«
»Du jagst mich tatsächlich fort?«
»Ich bitte dich zu gehen.«
»Deine feinen Unterschiede ...!« Sie verschluckte den Beginn eines Wutschreis und sagte mit brechender Stimme: »Du hast keine Vorstellung davon, wie es bei uns aussieht!«
»Diese Bruchbuden von Ställen«, hatte Louise gesagt.
» Von der Kiefer schaue ich auf Besseres«, klang Juanitas Stimme.
»Verstehst du nicht«, sagte sie jetzt, »ich muß da raus. Ich ertrage es nicht länger.«
»Was?«
»Wie sie sind, mein Vater, meine Onkel, meine Brüder. Meine Mutter hat sich für sie abgeschuftet, bis sie starb.« Diese neuen Tränen waren echt. Es waren stille Tränen voller Schmerz.
»Mutter war einmal eine schöne Frau. Sie hatte viele Verehrer. Dann begegnete sie meinem Vater. Er machte ihr den Hof – warf Rosen über den Gartenzaun, bezahlte Musiker, um ihr eine Serenade singen zu lassen; und als sie in die Heirat eingewilligt hatte, wurde sie zur Sklavin. Viele Männer, die aus Südamerika kommen, bringen ihrer Ehefrau keine Achtung mehr entgegen.«
»Wenn Frauen das wissen – warum heiraten sie solche Kerle?«
»Nun ... eine Frau muß verheiratet sein, ab einem gewissen Alter. Und natürlich hofft jede, daß ihr Mann anders ist, freundlicher. Daß er lieber für sie und die Kinder sorgt als für sich selbst. Es war Papa, der Mama ins Grab gelegt hat. Er, und die übrige Verwandtschaft.«
»Und jetzt bist du die ... die Sklavin?«
»Si. Ich muß tun, was sie von mir verlangen.«
»Und was verlangen sie von dir?«
»Ich muß ihnen den Haushalt führen: putzen, kochen, ihre Wäsche versorgen, sie bedienen, und –«
»Gelegentlich fremde Männer umgarnen, nicht? Zu ihren Zwecken.«
Sie senkte den Kopf. »Si.«
»Und auch heute nacht.«
Bevor sie antworten konnte, nahm sein feines Ohr Laute auf.
Laute von Tieren. Es war geschehen. Wolf war losgelassen worden und kam jetzt wieder zurück. Mit seiner Beute. Und sie war ausgeschickt worden für den Fall, daß er wieder auf Wachposition war. Hatte sie nicht gerade selbst gesagt, sie müsse tun, was von ihr verlangt wurde? Sie war tatsächlich ausgeschickt worden, um ihn abzulenken, ganz wie er vermutet hatte. Dennoch war die Gewißheit grausam und ekelerregend. »Du wußtest, daß der Hund unterwegs ist.« Seine Hände taten den zarten Schultern weh. »Nicht wahr, du solltest mich hier festhalten?!«
Ihr Kopf sank wieder tiefer. Sie nickte. »Si. Aber, caro, das hat nichts zu tun mit dem, was ich sagte ... nichts zu tun mit dem, was ich fühle – für dich fühle ...«
»Zum Teufel«, knurrte er geistesabwesend und schob sie von sich. Sie ließ einen unwilligen Ruf hören, aber er achtete nicht darauf.
Die Laute kamen näher. Er hörte klagendes Blöken und Muhen und über diesen Lauten das Hecheln eines Hundes. Er wandte sich um, ließ Juanita stehen und rannte den steilen Pfad hinauf, gegen das Tor zu. Gray Beard trabte ihm nach. Eric hatte den Pfad erreicht. Eine Gruppe von Schafen und Färsen trottete ihm entgegen, getrieben von einem Schäferhund mit üppigem grauweißem Fell. »Wolf!« Der Hund zögerte. Die Herde, die seine nachlassende Wachsamkeit sofort spürte, begann sich eilig zu zerstreuen. Er achtete nicht darauf.
»Wolf!« Vielleicht erkannte der Hund die Stimme. Vielleicht wußte er, daß es der Mann war, mit dem er auf den Klippen Freundschaft geschlossen hatte. Entschlossen setzte er sich in Bewegung.
Sie trafen aufeinander, wo der kaum sichtbare Pfad zum See auf den Weg am Grenzzaun stieß.
»Wolf!« Ein großer Ball aus Fell wirbelte im bleichen Licht des Mondes auf ihn zu, als könne
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