Im Schatten des Pferdemondes
schlimm? Muß sie wirklich geschlachtet werden?«
»Aber nein. Ich brauche bloß ein frisches Fell. Kuh wäre gut, aber Schaf hätte ich am allerliebsten.«
»Was ... was haben Sie vor?!«
»Besorgen Sie mir ein frisches Schaffell, Danny, und ich zeig's Ihnen.«
»Aye ... Lizzy wird Ihnen Tee geben, während Sie warten.«
Danny war in kürzester Zeit wieder da. Eric hatte seinen Tee noch nicht ausgetrunken und kaum Gelegenheit gehabt, seine Bekanntschaft mit Daniel II. zu erneuern, als Danny in die Küche stürmte: »Ich hab ein Schaffell für Sie.«
»Fein.«
Im Stall legte er das noch blutige Fell eines frisch geschlachteten Schafs auf die Hinterpartie der Kuh, trat zurück auf die Stallgasse, nestelte in seiner Tasche und zündete sich eine Zigarette an. Er sog den Rauch tief ein.
»Ihre Frau hat mir ein herrliches Sandwich zurechtgemacht, Danny«, sagte er. »Und eine Zigarette schmeckt am besten nach dem Essen. Möchten Sie auch eine?«
»Aye.« Danny nahm eine Zigarette und betrachtete ihn aus dem Augenwinkel. Er selbst wußte mit diesem Schaffell nicht das geringste anzufangen. Er hatte auf jeden Fall eine Spritze erwartet, oder ein Pulver ... irgend etwas in dieser Art, vielleicht sogar eine komplizierte Operation ... wobei er sich gefragt hatte, wie dabei das Schaffell ins Spiel kam. – Jedenfalls hatte er nicht erwartet, daß der Guvnor bloß still und ruhig dastand, eine Hand in der Hosentasche, und gleichmütig rauchte.
Die Kuh zeigte eine zunehmende Unruhe. Sie warf den Kopf auf und nieder, schlug mit ihm nach dem Fell auf ihrer Rückfront.
»Es quält sie, sie kann bestimmt den Geruch nicht leiden. Sollten wir es nicht lieber herunter –«
»Aber nein, Danny.« Die Stimme klang sanft.
»Aber –«
»Lassen Sie uns noch ein wenig warten.«
Die Kuh konnte im Liegen das Fell nicht los werden; schließlich stemmte sie sich auf und schüttelte es erleichtert ab. Eric öffnete die Tür ihres Verschlags und scheuchte sie die Stallgasse entlang. Ihr Trott war tadellos. Er schloß ihre Tür, als sie in den Verschlag zurückgekehrt war.
»Manchmal passiert das, Danny. Der Ring der Beckenknochen bleibt nach der Geburt locker, und sie stehen dann nicht auf. So ein frisch abgezogenes Fell entwickelt eine Hitze unter sich wie eine zu hoch eingestellte Heizdecke. Und das machte sie schließlich so ruhelos, daß sie aufstand, nur, um diese Hitze los zu sein.«
Danny hörte mit runden Augen zu und kratzte sich den Kopf. »Oh. Aye.« Er sah von Eric zu der Kuh und wieder zurück. »Das is 'n Trick!« meinte er anerkennend. »Beim heiligen Andreas! – Aber jetzt ist sie in Ordnung?«
»So gut wie neu.«
Danny packte seinen Arm. »Heute müssen Sie aber mit in den Swordfish kommen, aye Guvnor! Das ist ja unglaublich! – Ich will Ihnen unbedingt einen Drink spendieren!«
Eric zögerte, aber Danny blickte ihn beschwörend an.
»Die haben ein Telefon?« fragte er vorsichtig.
»Aye.«
Ein Besuch in einem Pub würde eine nette Abwechslung zu seinem Grübeln sein. Ja, es wäre schön, einmal einen Abend zu verleben, an dem er nicht grübelte: über die überraschende Ruhe, die die Cochans hielten, über Elaine. Und auch ein Bier in freundlicher Gesellschaft wäre nett. Er würde Claire Bescheid geben, für den Fall, daß ein dringender Anruf kam.
»Okay. Freut mich, Danny.«
»Gee – und mich erst, Eric.«
Der Swordfish war ein kleines Pub mit dunkel gebeizten Tischen und Stühlen, rauchverhangenem Licht, freundlicher, flinker Bedienung – und vollgestopft bis zum Rand mit Gästen. Und dies war ein Werktag – wie mußte es hier erst zum Wochenende aussehen! Wahrscheinlich stapeln sie sie dann auf den Tischen, dachte Eric mißgelaunt, als er sich hinter Danny bis zur Theke durchkämpfte.
»Das beste Nutbrown-Ale der Gegend kriegen Sie hier!« Danny schob sich zwischen zwei Farmer, so daß er gerade noch die Spitze seines Ellenbogens auf den Tresen stützen konnte, und ließ seinen Blick liebevoll über die Einrichtung schweifen und über die Menschenmasse, deren Anblick allein kalten Schweiß über Erics Haut prickeln ließ. Gütiger Himmel, warum hatte er nachgegeben? Warum war er mitgegangen? Er haßte Menschenansammlungen. Er fürchtete sie. Einzelgänger, der er war, blickte er sich unruhig um und sah Menschen an den Tischen, die sich unterhielten. Wie konnten sie das bloß, in diesem Lärm? Er versuchte, ein paar Worte mit Danny zu wechseln, doch selbst seine starke, dunkle Stimme schien dieses dichte Gesumm auf Dauer
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