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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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mußte, weil ihn ein Farmer zu Hilfe rief. Er brachte es nicht übers Herz, sie abzuweisen, aber er begann zu mahnen: »Vielleicht sollten Sie sich mal mit dem Bürgermeister kurzschließen, daß er sich um einen anderen Tierarzt bemüht. Wäre doch ein abendfüllendes Thema bei der nächsten Gemeindeversammlung, denken Sie nicht?«
    »Gee, einen wie Sie kriegen wir nicht wieder, Guvnor! Soll ich Ihnen mal sagen, wie viele Tiere unter Timmys Behandlung gestorben sind? Oder wie viele danach nichts mehr taugten?«
    »Aber nein, ich bin sicher, Sie irren sich. Wissen Sie, es gibt wenige Berufe wie den des Tierarztes, in denen die Linie zwischen völligem Versagen und Triumph so schmal ist. Man kann wie ein Trottel aussehen oder wie ein Held, denn letzten Endes liegt der Ausgang eines Falls nicht in unserer Hand, einer meiner Professoren pflegte zu sagen: >Wir können nur unterstützen, heilen muß die Natur<. Ich bin sicher, daß Timmy sehr gut war. Aber er war sehr lange in dieser Gemeinde tätig, und Sie erinnern sich jetzt an Fälle mit Todesausgang über all diese Jahre hinweg. Verstehen Sie, was ich meine? – Ich mache das erst seit kurzer Zeit.« Seine Stimme veränderte sich. »Und außerdem ist es wirklich nicht mein Job. Ich kümmere mich um gestörte Pferde. Ich bin ein Pferdedoktor. Und außerdem, Mr. Sims«, er ließ das geschwollene, heiße Hinterbein der Kuh sinken und richtete sich zu voller Höhe über dem beleibten, kurz gewachsenen Farmer auf, »außerdem haben Sie Ihre letzte Rechnung noch nicht bezahlt, und ich habe sie Ihnen vor mehr als drei Wochen zugeschickt. – Wissen Sie, das erhöht meine Motivation nicht gerade, mich jetzt Ihrer Kuh hier anzunehmen.«
    »Äh.«
    Eric nickte nachdrücklich. »Ein niedergelassener Kollege wäre verpflichtet, die Behandlung vorzunehmen. Ich bin das nicht. Ich kann zu meinem Wagen gehen und Ihre Kuh mit ihrem kranken Bein einfach hier stehen lassen, und Sie haben keine Handhabe auf der Welt, mich daran zu hindern.«
    Ganz so einfach war es nicht, aber das wußte Mr. Sims nicht, und Eric sah mit Befriedigung, daß er erbleichte.
»Sie kriegen Ihr Geld«, stieß er hervor. »Ich werd Ihnen einen Scheck geben, gleich heute. Ich muß Ihre Rechnung ... vergessen haben.«
Eric sog seine ohnehin eingefallenen Wangen ein und wippte dabei auf den Fußspitzen. »Na, schön. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Thema bei der nächsten Gemeindesitzung zur Sprache brächten. – Sie brauchen einen niedergelassenen Tierarzt. Ich weiß, daß Sie ziemlichen Einfluß auf die übrigen Farmer haben. Sie werden sie schon überzeugen, nicht, Mr. Sims?«
Freundlich legte er ihm bei diesen Worten den Arm um die Schulter und führte ihn ein Stückchen weiter die dunkle Stallgasse hinunter. – »Dann ist da noch etwas, Mr. Sims.« Er deutete in einen der Verschlage. »Dieses Kälbchen hier. Ich hörte, wie es hustete, und es ist ein böser Husten. Sie wissen das, sonst hätten Sie es nicht von den übrigen getrennt und hierher gebracht. Aber Sie haben mich nur auf die Kuh aufmerksam gemacht. Sie hätten ein paar Tage gewartet und an dem kleinen Kerl Ihre ... hm, nun, um es vorsichtig auszudrücken, befremdlichen Rezepte versucht, und es wäre ihm immer schlechter gegangen, und dann – erst dann – hätten Sie mich wieder gerufen. Das wäre für das Kalb sehr schlecht gewesen – hätte unter Umständen dazu führen können, daß es dann trotz meiner Behandlung eingeht, und mich unnötig Zeit gekostet, weil es bedeutet hätte, noch einmal zu Ihnen herauszufahren. Und Zeit, Mr. Sims – Zeit! – ist eine sehr kostbare Sache für mich. Wenn Sie das noch einmal mit mir machen, werde ich die Rechnungssumme verdoppeln.«
»Sie gehen ja heute mächtig hart mit mir ins Gericht!« Mr. Sims stotterte beinah. Er hatte Eric als einen höflichen, geduldigen und kompetenten Tierarzt kennengelernt, als einen, der nicht nur sein Handwerk verstand, sondern auch den Tieren zutiefst verpflichtet war, und darum zu jeder Tages- und Nachtzeit seinem Ruf Folge geleistet hatte. Er hatte nicht erwartet, daß sich in ihm ein Kern aus Stahl verbarg.
»Anders scheint es nicht möglich zu sein, zu Ihnen durchzudringen. Ich hoffe, ich habe meinen Standpunkt klargemacht. Und nicht nur für heute.«
»Aye, vollkommen, äh ... aye, vollkommen. – Äh, werden Sie sich ... nun,.....trotzdem um meine Kuh kümmern?«
»Nun ... ja.« Er hatte nie die Absicht gehabt, es nicht zu tun. Er konnte ein Tier einfach

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