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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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schon lange hier, beinahe so lange wie meine Familie und die meines Mannes. Immer haben sie sich da oben für sich gehalten mit ihren Pferden und haben sie gehütet wie Juwelen. Einer unserer Gäste, der sich auskennt, mit Pferden meine ich, der hat die Herde mal gesehen und gesagt, sie ist's wert, besonders gut auf sie zu achten. Schätze, es wird den Fargus' nicht schmecken, daß sie die Cochans jetzt zu Nachbarn haben.« In der breiten schottischen Mundart klang Cochans wie »Koschääääns«.
»Wer sind die Cochans?«
»Die haben das Land auf den Hügeln über dem FargusBesitz gepachtet.«
»Auf den Hügeln?« Eric stellte seinen Becher wieder hin. Er hörte Louises Stimme in seiner Erinnerung: Was kann gut sein, was von denen da oben kommt?
»Ja, die Pacht liegt ziemlich hoch. Kein guter Boden. Zu kalkhaltig, zu viele Felsen. Und komische Leute. Irgendwie ... unnatürlich. Das ganze Dorf denkt das«, setzte sie hinzu.
»Was sind das für Leute? Ich meine, woher kommen sie?«
»Sie haben's vorher in England versucht, heißt es, aber von unseren Inseln sind die nicht.«
»Und was tun sie?«
»Ach, dies und das, ein bißchen von allem – Schweinezucht, Kühe, Pferde. Ich weiß nicht, die gehören nicht hierher. Kennen sich nicht aus. Wollen sich nicht anpassen. Sprechen nicht einmal unsere Sprache, nicht richtig jedenfalls, und ich meine nicht unseren Dialekt, sondern überhaupt Englisch. Ist 'ne ganze Sippe, und die halten sich bestimmt mindestens genau so für sich wie die Fargus'.«
»Sagen Sie, Mrs. Hickman, haben die Cochans auch Hunde?«
»Hunde, ich denke schon.«
»Auch einen grauweißen Schäferhund?«
»Na, ich weiß nicht. Ich war nie da. Weiß nicht, welche Tiere sie haben. – Wollen Sie jetzt den Stall sehen?«
»Ja, sicher.« Eric hätte gern noch mehr gehört.
»Wir haben sonst nie Gäste mit Pferden«, sagte Mrs. Hickman, als sie durch den Garten gingen. »Wenn die Leute reiten wollen, mieten sie sich Pferde von Billy am anderen Ende des Dorfes.«
Eric mußte sich erneut anstrengen, um sie zu verstehen, unvertraut wie er mit dem schottischen Dialekt war, und fragte sich, ob er gerade jetzt etwas wirklich Wichtiges nicht verstanden hatte.
Sie gingen auf ein niedriges hölzernes Gebäude zu, und Mrs. Hickman öffnete die Flügeltüren weit. Das helle Tageslicht flutete in breiten Bahnen in einen großen, leeren Raum mit einem höckerigen Steinboden und einem die ganze Länge der gegenüberliegenden Wand einnehmenden steinernen Trog. »So, hier könnten Sie Ihr Pferd unterbringen. Mein Mann benutzt es als Garage und – auch unser Sohn, wenn er uns mal besuchen kommt. Er hat Arbeit unten im Süden gefunden, hinter den Borders. Er kommt nicht oft, ist ja auch ein weiter Weg. Früher war das hier der Kuhstall, Sie sehen ja noch den Trog. Wir haben die Kühe aber schon vor Jahren abgeschafft; lohnte sich nicht mehr, und mein Mann hatte auch immer Schwierigkeiten mit dem Melken. Der olle Timothy, unser Tierarzt, hat gesagt, mein Mann hat nicht die richtige Technik, es gab immer Flocken in der Milch.«
Eric prüfte den Boden und die Wände, während Mrs. Hickman tiefer und tiefer in ihrer Familiengeschichte grub, und als sie bei den Eskapaden des Sohnes Davy im Alter von acht Jahren angekommen waren, hatte Eric seine Untersuchung abgeschlossen. Es gab hier nichts, woran ein Pferd sich verletzen konnte. »Stroh könnten wir im Dorf bekommen?«
»Stroh haben wir, junger Mann. Wir halten noch Hühner. Futter für Ihr Pferd können Sie bei Billy unten kriegen, der haut Sie auch nicht übers Ohr. Und Wasser – Sie brauchen sich nicht mit einem Eimer abplacken, kommen Sie, ich zeig's Ihnen.«
Sie schien völliges Zutrauen zu ihm gefaßt zu haben, jedenfalls zupfte sie ihn am Ärmel und führte ihn wieder ins Freie, und ein beinahe spitzbübisches Lächeln legte tiefe Falten um ihre Augen. Als sie um die Ecke des Gebäudes bogen, blieb Eric wie angewurzelt stehen: vor ihnen lag so etwas wie ein verwunschener Garten, eingerahmt von einem halbhohen, schmiedeeisernen, kunstvoll verzierten Zaun, über dessen graziöse Bögen sich verschwenderisch blühende Heckenrosen ergossen. Innerhalb dieses Kunstwerks, das menschliche Meisterschaft und die Üppigkeit der Natur geschaffen hatten, war das dichte Gras kurz gehalten und an den Kanten sorgfältig begradigt. In der Mitte des grünen Teppichs, erhob sich ein kleiner Springbrunnen aus weißem Stein.
»Aye, junger Mann, überrascht?«
»Ich kann's nicht glauben.«

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