Im Schatten des Pferdemondes
»Das war meine erste Geburt.«
»Nay, jetzt machen Sie aber Spaß mit mir! Sie sind doch 'n richtiger Vet?«
»Schon, aber sehen Sie, es hat sich ergeben, daß ich nur mit traumatisierten oder neurotischen Pferden arbeite – sie wieder reitbar mache, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich habe keine Erfahrung in der üblichen tierärztlichen Praxis.«
Billy starrte ihn eine ganze Weile sprachlos an, und Eric konnte sich vorstellen, was das Ergebnis von Billys Gedankengang sein würde – daß er es mit einem Anfänger zu tun hatte, dessen Hand das Schicksal in diesem einen Fall glücklich geführt hatte.
»Na, Hut ab vor Ihrer Courage!« sagte Billy. »Hut ab, Guvnor! Sie haben keine Erfahrung und haben dieses feine Fohlen nicht nur aus der Stute gezogen, ohne es zu zerteilen, sondern ihm auch Leben eingehaucht! Mensch, schauen Sie mich nicht an, als wär ich vom Mond! Sie haben mir die Stute und das Fohlen gerettet, und ich wollte gerade ein Fohlen aus dieser Stute so sehr! – Los!« Er stieß Eric in die Rippen. »Wir müssen einen darauf heben!«
»Danke, Billy, danke sehr«. Eric fühlte sich beinahe beschämt angesichts der ehrenden Anrede und sagte betont nüchtern: »Ihre Stute braucht ein Antiseptikum, und ich hab meine Medikamente noch in dem Anhänger, mit dem wir mein Pferd herunterbrachten. Ich fahre schnell rüber.«
Billy hatte frisches heißes Wasser und frische Handtücher bereit, als Eric zurückkam, und die Nachbehandlung der kleinen Stute wurde so etwas wie eine Feier, mit Mary MacKinnan und Claire und einigen der Farmarbeiter als Publikum. Um die nicht eben schön anzusehende Angelegenheit erträglicher zu machen, hielt Eric während des ganzen Vorgangs ein leichtes Geplauder in Gang. Schließlich richtete er sich auf. »Sie sollte jetzt okay sein. Ich verpasse ihr noch einen Schuß gegen Tetanus.«
Er blickte nach dem feingliedrigen dunklen Fohlen, das niemals von dem Euter der Stute fort zu sein schien. »Der holt nach, was er vermißt hat, was?«
»Ein feines Hengstfohlen, grad was ich mir aus dieser Stute gewünscht habe.«
Sie standen nebeneinander und konnten sich kaum sattsehen. Die gespreizten Beine des Füllens zitterten vor Spannung, das kleine hungrige Maul stieß gegen das pralle, dunkle Euter der Stute, die eifrigen Schluckbewegungen und das leise Grunzen sprachen für sich: der kleine Hengst hatte es geschafft.
»Ich weiß nicht mal Ihren Namen!« Billy hieb ihm herzhaft auf die schmerzende Schulter, aber Eric fühlte es kaum. »Eric. Eric Gustavson.«
»Kommen Sie, Eric, Sie sehen ziemlich erledigt aus. Mutter wird Ihnen Tee geben.«
»Wissen Sie, Billy, eigentlich kam ich, um Futter zu kaufen, vielleicht sollten wir das erst mal erledigen.«
Claire und Mrs. MacKinnan traten zur Seite und sahen zu. Die Farmgehilfen verzogen sich.
»Gern, Eric, was brauchen Sie?«
Sehr bald hatte Billy das Nötige aus seinen Stallungen herbeigeschafft, und gemeinsam machten er und Eric sich daran, die Heuballen und die Säcke mit Futter in den Geländewagen zu laden. »Wenn ich Ihnen raten darf, nehmen Sie noch ein Beutelchen Nüsse. Ist beinah noch besser als Leinsamen für ein schönes Fell und einen guten Stoffwechsel, und vor allem – eine kleine Prise extra kann bei einem Pferd wie Ihrem bei unserem Seeklima nicht schaden. Unsere Tiere sind dran gewöhnt, aber ich hab schon manchen Vierbeiner von außerhalb hier dünn werden sehen, weil die See ihnen unvermutet in den Leib gefahren ist, sozusagen.«
Eric hatte noch keine Zeit gehabt, sich darüber Gedanken zu machen, aber er begriff sofort, was Billy meinte. »Geben Sie mir lieber noch zwei Sack Hafer, und drei >Beutelchen<, Billy.«
»Gern.« Als er zurückkam, sagte er: »Würd' Ihr Pferd gern mal sehen.«
»Na, er gehört nicht mir, aber ich wollte Sie sowieso schon fragen, ob ich mit ihm auf eine Ihrer Weiden darf.«
»Klar, Platz haben wir genug.«
»Vielen Dank. – Und nun, was schulde ich Ihnen, Billy?« »Was schulde ich Ihnen?«
»Schulden?« Eric verstand nicht.
»Aye.« Billy deutete auf die Weiden da unten. »Maudie. Das Fohlen.«
»Oh, Billy, Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen was dafür berechnen würde? Ich hab doch gesagt, womit ich mein Geld verdiene – es war ein Zufall, daß ich ein wenig helfen konnte.«
»Nay, Sie waren's, der die Arbeit getan hat, da kann nicht die Rede von ein >wenig helfen< sein. Und womit Sie Ihr Geld sonst verdienen, ist mir gleich, aber Sie haben da draußen die Arbeit eines Vets geleistet,
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