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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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meinen Rechnungen.« Sie nickte zu einem kleinen Tisch hin, der, wie Eric jetzt sah, ganz mit Papieren übersät war. Sie richtete sich auf und stützte den Rücken gegen die Lehne ihres hohen Sessels, als wollte sie so ihr Rückgrat stärken. Emily war beherrscht wie gewöhnlich, ein wenig kühl und sehr vernünftig.
»Die Pferdezucht, Eric, ist kein einträgliches Geschäft. Die Steuern sind erdrückend, und Sie wissen, wie selten es gelingt, ein Pferd aufzuziehen, das durch seine Leistungen wirklich Geld einbringt. Der Preis für Pferde, selbst Pferde wie die unseren, fällt, während die Kosten steigen; Kosten für Futter, für den Tierarzt, für die Ausbildung der Pferde...; wir finanzieren uns durch die Rinder und Schafe, durch den Holzhandel und etwas Landwirtschaft. Aber es gibt hier keine großen zusammenhängenden Ackerflächen, wie Sie es aus England kennen. Das war immer der Fluch der Schotten. Es gibt hier einfach zuviel Wasser und zu viele Felsen.« Sie nippte an ihrem Glas. »Es braucht einen großen Angestelltenstab, um ein Anwesen wie Sunrise in Gang zu halten; ich mußte kürzlich sogar dazu übergehen, die Bewirtschaftung mit Leiharbeitern und nur wenigen Festangestellten zu betreiben. Jetzt werden uns die Cochans noch mehr Ärger bereiten können, aber ich hatte keine andere Wahl.«
»Cochans?« fragte Eric und erinnerte sich an das, was Claire ihm erzählt hatte.
»Sie haben das Land im Norden, über unserem, seit einigen Monaten gepachtet. Seither gibt es immer wieder Unfrieden. Immer wieder fehlen einige Schafe oder ein paar Kälber. Unsere Wächter können ja nicht überall sein, und seit ich das Personal einschränken mußte, sind sie überlastet, besonders nachts.«
»Sie meinen, die Cochans bestehlen Sie?« Dann hielt sich die Familie Cochan jedenfalls nicht in dem Maße für sich, wie Claire glaubte.
»Haben Sie eine andere Erklärung? Wir haben früher auch ab und an mal ein Tier verloren, aber durch Unfälle – wir fanden es dann irgendwann in einer Schlucht, oder den von Wildkatzen angebissenen Kadaver; doch seit die Cochans hier sind, sind es keine vereinzelten Verluste mehr.«
»Haben Sie nicht versucht, etwas dagegen zu unternehmen? Haben Sie nicht die Polizei verständigt?«
»Gewiß doch. Die nächste Polizeistelle ist aber an die zwanzig Meilen von hier entfernt, und bevor es denen gelungen war, einen Mann für eine solche >Kleinigkeit< abzustellen, war auf dem Hof der Cochans nichts mehr zu entdecken, was eigentlich zu Sunrise gehörte. Ich vermute, sie schaffen die Tiere gleich in der Nacht weg und verkaufen sie irgendwo, oder sie schlachten sie und verkaufen das Fleisch oder verbrauchen es selbst. Aber ich habe keine Beweise. Das wurde mir sehr deutlich zu verstehen gegeben; ebenso, daß ich schon etwas mehr in der Hand haben müßte, damit noch einmal ein Beamter hier herauskommt. Wir können uns solche Verluste wirklich nicht leisten, Eric. Kürzlich verschwand ein Bullenkalb, auf das ich große Hoffnungen als Zuchtbulle setzte – einfach weg, und ich konnte nicht das Geringste tun: die Polizei weigerte sich, mir noch einmal zu helfen, und die Cochans, ganz beleidigte Unschuld, erwirkten sofort eine Verfügung, die mir verbietet, ihr Land zu betreten.«
»Das klingt nach einer verdammt ernsten Sache.«
»Das ist es. Solange sie nicht auf frischer Tat erwischt werden, habe ich nicht das Geringste gegen sie in der Hand. Und wie soll das jemals gelingen, wenn sie immer gerade an einer Stelle zuschlagen, die unbewacht ist?«
Eric stand auf und ging mit nachdenklich gesenktem Kopf und in die Hosentaschen vergrabenen Händen vor dem Kamin auf und ab.
»Warum bringen Sie die Rinder und die Schafe nicht in den Stall, wenigstens nachts? Er steht ja sowieso leer.«
»Oh, sie haben ihre Scheunen draußen; aber im Sommer lassen wir sie nachts laufen.«
»Um Heu zu sparen?«
Sie wich seinem Blick aus. »Everett hat es immer so gehalten.«
»Sie sollten es aber doch tun. Die Männer, die Wächter, können mit ihren Hunden nachts im Stall bleiben und hätten die Übersicht über die ganze Herde. Emily, selbst wenn Sie zum Winter Heu dazu kaufen müßten – denken Sie nicht, daß das besser als der andauernde Verlust von Tieren ist?«
Sie zögerte und senkte nachdenklich den Kopf; dann sah sie ihm ins Gesicht. »Gut, ich werde das veranlassen. – Eric, sagen Sie Vater niemals etwas von diesem Gespräch zwischen uns. Er weiß nichts vom Verschwinden der Tiere, es würde ihn zu sehr

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