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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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verbessern würde. Und jetzt, da sie endlich das Alter erreicht hat, um ein Fohlen zu empfangen, muß dieses Unglück geschehen. Sie wissen ja, es ist die Stute, die das Fohlen erzieht.« Sie trank ihr Glas aus. »Läßt sich die Stute nicht berühren, hält es das Fohlen ebenso, weil es das Verhalten der Mutter nachahmt. Darum ist es wichtig, daß Solitaire so bald wie möglich geholfen wird, daß sie wieder zu dem fügsamen Geschöpf wird, das sie einmal war.« Ihr Atem wurde für eine Sekunde tief, angstvoll, sie biß sich auf die Lippen und beherrschte sich. »Sie wird bald wieder rossig werden«, fügte sie hinzu.
Auch Eric leerte sein Glas. »Ich verstehe«, sagte er langsam. Tatsächlich beurteilte er Emily Fargus nach diesem Gespräch anders. Nicht persönlicher Ehrgeiz trieb sie also, sondern schlichte wirtschaftliche Notwendigkeit; und diese Notwendigkeit war entstanden, um den Ruf der Familie zu wahren, koste es, was es wolle. Er konnte noch immer nicht gutheißen, daß sie alles für das Erreichen ihres Ziels tat; aber er konnte es besser nachvollziehen, und in gewisser Weise bewunderte er sie. Schließlich war sie nur angeheiratet; nach dem Tod ihres Mannes hätte sie ihre Tochter nehmen und sich zurückziehen, hätte Granpa Fargus alles überlassen können. Aber sie hatte den Kampf aufgenommen. Sie versuchte, den Traum Everett Fargus' Wirklichkeit werden zu lassen.
»Sie müssen Ihren Mann sehr geliebt haben«, sagte er weich, wohl wissend, daß er sich einmal mehr auf gefährlichen Grund begab.
»Weil ich sein Lebenswerk gegen alle Widerstände fortführe, meinen Sie das?«
»Ja«, antwortete er und beobachtete ihr Gesicht. Die feinen Brauen stießen kurz zusammen, da war Schmerz unter dem Schatten der langen Wimpern auf ihrem Gesicht. Als sie ihn schließlich anblickte, war ihr Lächeln ein wenig steif. »Wir hatten nur ein Glas vereinbart, aber ich habe das Bedürfnis nach einem zweiten. Sie auch?«
Ohne zu zögern reichte er ihr sein Glas.
»Das gleiche?«
»Was trinken Sie?«
»Malzwhisky auf zerstoßenem Eis mit einem Schuß Orangensaft.«
»Vielleicht sollte ich das mal versuchen.«
»Gern.«
Sie kam mit den beiden Gläsern zurück zu ihrem Platz am Kamin, reichte ihm seines und setzte sich. Nachdenklich blickte sie in die Flammen. Sie trank einen Schluck, schwenkte ihr Glas. Dann hob sie es an die Lippen und trank es zur Hälfte aus. »Wissen Sie, als ich Everett kennenlernte, war ich wie geblendet. Er war nicht nur ein sehr gutaussehender Mann; er war voller Humor und Lebensfreude, geistreich, und so weltgewandt. Sein Charme hätte für zwei gereicht. Und als er mich nach Sunrise brachte, da war es wie ...«; sie stockte, starrte in die Flammen für eine lange Zeit, und Eric störte sie nicht. Er hatte früh gelernt, daß der, der selbst gern spricht, nichts erfährt. Schweigend nippte er an seinem Glas, und schließlich fuhr Emily fort: »Sunrise, und diese ganze Landschaft hier ... es war wie etwas, das ich immer haben wollte. Nach Sunrise zu kommen, war wie ... wie zu einem Ort zurückzukommen, nach dem ich mich immer gesehnt hatte – ohne ihn je zuvor gesehen zu haben. – Das ist verrückt, nicht?«
Eric stellte sein Glas hin und sah ihr direkt in die Augen. »Das finde ich überhaupt nicht«, sagte er ruhig. Er hatte am Morgen dasselbe empfunden: heimgekehrt zu sein in eine Landschaft, die immer nach ihm gerufen hatte.
»So ist es also nicht nur wegen Everett, daß Sie die harte Arbeit auf sich nehmen?«
»Es sieht so aus. Bis heute Abend ist mir das nie auch nur annähernd klar gewesen. – Sie sind ein guter Zuhörer, Eric. Gute Zuhörer bringen Menschen zum Sprechen. Und im Sprechen, heißt es, arbeitet der Geist sich aus.«
Er schwieg und spielte mit seinem leeren Glas.
»Möchten Sie noch etwas trinken?«
»Nein ... ich sollte gehen.«
Sie erhob sich geschmeidig, nahm ihm sein Glas ab und trug es zur Bar. »Ich fahre Sie.«
»Das ist nicht nötig. Es ist ja nicht so weit.«
»Ich möchte aber.«
Er half ihr in ihr leichtes Cape, und fühlte die Wärme ihrer Schultern unter seinen Handflächen und die Versuchung, diese unglaublich feine Haut zu berühren. Emily hatte sein Zaudern bemerkt; sie lehnte ihren Rücken an seine Brust, leicht wie eine Feder war die Berührung, und zugleich unerhört aufreizend. »Warum bleibst du nicht hier heute Nacht«, flüsterte sie kaum hörbar. »Es könnte so schön sein, ich weiß es. Niemand wird uns stören, es wird nur dich und mich geben ...«

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