Im Schatten des Pferdemondes
Sie drehte sich um und berührte mit einer Fingerkuppe die Schwellung um sein Auge.
Sein Atem war verhalten vor Spannung, aber seine Hand war ganz ruhig, als er ihre leicht ergriff und sie sanft an seine Lippen führte. Nur sein warmer Atem streifte über die dünne Haut ihres Handrückens. »Sie sind eine sehr attraktive Frau, Emily.« Er sah sie beständig an, und sie las in diesem ruhigen Blick, daß er ihr nicht verziehen hatte.
»Und Sie sind – ein vollendeter Gentleman.«
Der Wagen glitt geschmeidig über die vollkommen dunkle Straße. »Wo ist Ihr Logis?«
»Das dritte Haus auf der linken Seite.«
Eric ließ den Sicherheitsgurt zurückschnellen und war im
Begriff auszusteigen, als er Emilys warme Hand einmal mehr
auf seinem Arm fühlte. »Eric, ich war heftig, als ich Sie mit
Louise draußen antraf. Ich wußte nicht, worum es ging, und
ich war eifersüchtig.« Die Hand drückte fester zu. »In
gewisser Weise erinnern Sie mich an Everett. Aber Sie
besitzen mehr Kraft ... ich weiß nicht recht, wie ich es
nennen soll.«
Er kauerte auf dem Sitz und fühlte sich unbehaglich. »Sie sind ein Mann, wenn ich je einen gesehen habe.
Verzeihen Sie, daß ich schwach geworden bin.«
Da öffnete sich die Tür des beschaulichen Cottage, und im
herausströmenden Licht zeichnete sich Claires kleine Gestalt
ab: »Gee, Eric, ich dachte schon, Sie kämen nie mehr heim!« Claire eilte die Stufen hinunter, winkte Emily zu, wünschte
ihr flüchtig einen guten Abend und ergriff Erics Arm, zog ihn
geradezu aus dem Wagen.
»Sie werden müde sein, es war ein anstrengender Tag für
Sie, mein Junge, kommen Sie, ich koche Ihnen eine Tasse
Tee, und einen guten Schuß Whisky habe ich auch für Sie.
Und wie wäre es mit einem Stück Pie? Es ist ganz frisch, erst
von heute Abend.«
Emily zog die Beifahrertür sacht ins Schloß. Eric, schon
halb die Treppe hinauf, blickte zu ihr zurück, und sie wußte
in diesem Augenblick, daß sie verloren hatte, was hätte sein
können. Sie hob tapfer die Hand, und er winkte zurück. Die
Tür schloß sich hinter ihm und ließ sie allein im Dunkel ihres
Wagens.
Sie grub die Zähne in die Unterlippe. Die Jahre hatten
Emily hart gegen sich selbst gemacht, aber nun mußte sie
doch den Kopf auf das Lenkrad legen. Dann aber erhob sich
ihr an Kampf und Taktik gewöhnter Geist. Sie ließ den Motor
wieder an und legte den Gang ein. Sie begann, einen Plan zu
schmieden, und fuhr leichteren Herzens in ihre Einsamkeit
zurück.
6
Eric entschuldigte sich bei Claire. Er konnte es sich nicht versagen, nach Lance zu sehen, ihn zu tätscheln und zu befragen, ob es ihm gutgegangen war, und zu seinem Erstaunen entdeckte er die
große rote Katze, die er heute Mittag in der Küche kennengelernt hatte, unmittelbar neben Lances Füßen. Sie sprang, während er sie erstaunt ansah, mit einem unglaublichen Satz auf den Rücken des Hengstes und betrachtete Eric von ihrer Höhe aus wohlwollend mit blitzenden Augen. Lance war nicht einmal zusammengezuckt, als die sanften Pfoten auf seinem Rücken landeten, sondern wandte nur mit einer friedlichen Bewegung den Kopf, als das weiche Fellbündel sich knapp hinter seinem Widerrist zusammenrollte.
»Dir geht's gut hier, das sehe ich.« Eric kraulte mit einer Hand die Katze, seine andere Hand strich Lances lange helle Stirnlocke zusammen und legte sie ihm zwischen die Augen. Die längsten Haare reichten beinah bis zwischen seine Nüstern. »Möchte meinen, dir ist's nie besser gegangen.« Eric gratulierte sich einmal mehr zur Wahl seines Logis. Claire und diese hinreißende Katze, der Stall und der Zaubergarten – er hätte es nicht besser treffen können.
Als er an der Haustür läutete, sah er sich noch einmal um. Der sich frühsommerlich hoch wölbende klare Himmel besaß die für die Jahreszeit eigentümliche tiefdunkelblaue Schattierung, durchschimmert von Milliarden großer und kleiner, naher und ferner Sterne, und der Mond war eine breite Sichel, hell schimmernd wie reines Silber. Die Dunkelheit um ihn her atmete ein vielschichtiges, reiches Leben, und von ferne kam das Flüstern des Atlantiks auf einer lauen Brise herübergeweht. Erics Lungen dehnten sich weit. Er fühlte sich geradezu betrunken von Wohlbehagen und Zufriedenheit.
»Abend, Junge.« Der hochgewachsene, kräftig gebaute ältere Mann, der ihm die Tür öffnete, mußte Mr. Hickman sein. Er reichte ihm die Hand und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Eric, nicht?«
»Ja, Sir.«
»Kommen Sie nur rein. Vergessen Sie
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