Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
Vom Netzwerk:
War 'ne reife Leistung, sagte Billy, und der muß es wissen. Und jetzt – ex und hopp!«
David hielt ihm sein Glas hin. Diese Bewegung sagte deutlich, daß er keine Widerrede hören wollte, und Eric stieß mit ihm und Claire an. Als alle ihr Glas auf einen Zug ausgetrunken hatten, ließ David sich bequem in seinen Stuhl rutschen und streckte die Füße gegen das Feuer.
»Erzählen Sie doch ein bißchen, Eric«, sagte er und füllte mit einer nachlässigen Bewegung dessen Glas, dann das seiner Frau und sein eigenes. »Diese Sache da mit den Fargus' und dieser sündhaft teuren Stute, wie heißt sie, Solitaire, nicht? Claire erwähnte, daß Sie nach ihr fragten.«
»Sie war für längere Zeit vom Gelände verschwunden und ist völlig unzugänglich eines Tages wiederaufgetaucht. Mehr weiß ich auch noch nicht.«
»Und Sie sollen sie zähmen?«
»Ich würde es eher eine Therapie nennen. Zähmen, das klingt so nach Cowboymanier, nach Beine zusammenbinden und Peitschengeknall und Herumschreien, nach Ohren verdrehen und in die Knie zwingen; brechen, mit einem Wort. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich mal mit angesehen, wie ein Pferd gebrochen wurde.« Er schwieg, seine Gedanken glitten zurück zu der staubigen Koppel mit dem Zaun aus schäbigen Holzbohlen und dem Pfahl in der Mitte, an den das Fohlen angebunden war, und an sich selbst, einen Stöpsel von vielleicht vier Jahren. Er sah sich mit dreckverschmiertem Gesicht und schmutzigen Händen dicht an den Zaun gedrückt in einer Ecke draußen vor der Koppel stehen, wo niemand ihn sehen konnte. Er konnte Pferde sozusagen über viele Meilen riechen und wurde von sämtlichen Höfen, die Pferde hatten, magisch angezogen. Auf manchen Höfen sah man ihn gern, auf manchen duldete man ihn, auf anderen nicht. Auf diesem hatten sie ihn mit einem Fußtritt verjagt, aber er war geblieben und hatte sich versteckt, als er sah, daß eines der Pferde, mit dem er Freundschaft geschlossen hatte, bevor ihn die Frau des Besitzers erspäht und unsanft vom Hof befördert hatte, in die Koppel geführt wurde. Er hatte geglaubt, es solle longiert oder geritten werden, und war geblieben, um aus seinem Versteck die Bewegungen des Pferdes beobachten zu können.
Kein anderes Tier als ein schönes, starkes Pferd bewegt sich mit diesem atemberaubenden Zusammenfluß von Kraft und Grazie; diesem Ineinanderfließen der Bewegungen von Hals, Leib und Beinen, diesem eleganten Schwingen und Schweben. Er konnte sich nicht sattsehen.
Die Hickmans sahen ihn an, nicht drängend; sie mochten sich nur über seine lange Pause wundern. Langsam, sehr leise, sprach er schließlich weiter. »Es war ein prächtiger kastanienbrauner Zweijähriger. Ich weiß noch genau, ich fragte mich die ganze Zeit, wie ein so herrliches Pferd auf einen so schäbigen Hof gehören konnte. Ein Mann mit einem Sattel ging zu dem Pferd. Er warf ihm den Sattel auf den Rücken. Das Pferd wehrte sich; es bäumte sich auf und schlug aus. Der Mann versuchte es wieder, aber bald hatte er genug. Er holte ein Seil, wand es dem Fohlen um die Vorderbeine, band es von dem Pfahl ab und trieb es mit einer langen Peitsche vorwärts. Er schrie die ganze Zeit. Das Pferd versuchte zu laufen, weil es Angst vor der Peitsche und seiner Stimme hatte, aber weil seine Beine gebunden waren, fiel es hin. Der Mann schlug es und schrie, damit es aufstand, und trieb es wieder an, und es fiel wieder hin. Das ging lange so. Schließlich war das Fohlen schwarz vor Schweiß und gesprenkelt mit weißen Schaumflöckchen. Es war erledigt, und es muß überall Schmerzen vom dauernden Hinfallen gehabt haben. Er band es wieder an den Pfahl, kam mit dem Sattel und warf ihn genau wie vorher auf den Rücken. Noch einmal versuchte es, sich zu wehren. Diesmal brauchte er nur noch zu schreien, und da blieb es zitternd stehen und ließ alles mit sich machen. Als er es schließlich losband und von ihm wegging, ohne auch nur einen Gedanken daran, es zu versorgen, ihm Wasser zu geben, sein Fell zu trocknen – er ließ es einfach allein auf dieser staubigen Koppel –, stand es da, mit hängendem Kopf, ausgepumpt, ein Bild der Niederlage. Ich schlich mich näher und sah seine Augen. Sie waren ganz trübe, wie verstaubt. Ich rief leise nach ihm, aber es rührte sich nicht. Da ging ich dann zu ihm, ich wollte es trösten, ihm sagen, wie leid es mir tat. Ich näherte mich ihm vorsichtig und hatte dabei immer ein Auge auf das Haus, weil ich natürlich nicht erwischt werden wollte, denn sie

Weitere Kostenlose Bücher