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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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das mit dem Sir mal wieder ganz schnell. Ich bin David. Hab mich den ganzen Abend gefragt – ah, da ist Claire mit Ihrem Pie.«
Hauchdünne Scheiben orangefarbenen Räucherlachses rieben sich an dünn aufgeschnittenem Schinken und einem großen Stück eines weißen, feucht glänzenden Käses, herrlich duftenden Räucherwürstchen, kaltem Hackbraten und einem Laib kernigen Brotes. Claire brachte außerdem frische Butter, Senf, Pfeffer und Salz, und einen riesigen Becher Milch.
»Claire!« protestierte Eric. »Das geht wirklich nicht! Dies ist Bed & Breakfast!«
»Sie sehen aus, als hätten Sie noch nicht zu Abend gegessen«, erwiderte sie nur und machte sich am Herd zu schaffen.
»Essen Sie«, sagte auch David, streckte sich behaglich und nestelte an seiner Pfeife. »Stört Sie's, wenn ich rauche?«
»Gar nicht, ich nehme selbst ab und zu gern einen Zug.«
Er betrachtete ungläubig die vor ihm aufgebauten Platten und ließ zweifelnde Blicke zwischen Claires Rücken und dem zufriedenen, gelösten Gesicht ihres Mannes schweifen.
»Nun essen Sie doch endlich, Mann!« sagte David schließlich. »Nehmen Sie Senf zu den Würstchen; der Senf ist eine besondere Mischung, die Claire extra dafür erfunden hat.«
»Ich bin oben, Lieber, ja? Muß mich um die Wäsche kümmern.«
Sie lächelte ihnen über die Schulter zu, und beide sahen ihr nach, als sie den Raum verließ.
»Eine wunderbare Frau«, seufzte David. »Ich hätte keine bessere bekommen können.« Er betrachtete Eric, der langsam, noch immer ungläubig, ein Würstchen zerteilte, die Schnittflächen mit dem seltsam süß-würzigen Senf bestrich und es mit einer dicken Scheibe Brot verzehrte.
»Nehmen Sie Butter auf das Brot«, sagte David, »und versuchen Sie eine Scheibe Käse dazu – nein, nicht doch so dünn! Einen Batzen – mindestens zwei Daumen dick!«
Eric gehorchte. So war es noch viel besser. Sein Gesicht mußte einen Ausdruck der Entrückung angenommen haben, denn David lächelte. »Ihr Engländer«, sagte er langsam, »ihr habt alle nicht die geringste Ahnung von gutem Essen.«
Eric nahm sich eine zweite Wurst, kombinierte sie mit einer Scheibe des hauchdünn geschnittenen Schinkens und noch mehr Brot und Käse. Er hatte nicht gewußt, daß er so hungrig war. Und was Davids Worte anbetraf – er wußte nicht, ob sie auf alle Engländer zutrafen, aber ganz sicher auf ihn. Er lebte aus Dosen und von Tiefgefrorenem. Das war einigermaßen billig, und einfach in der Zubereitung. – Dieses Essen war wie eine Offenbarung für ihn. Er kostete den Lachs und mußte einen Ausruf der Begeisterung unterdrücken.
»Bestreuen Sie ihn mit Pfeffer«, riet David, und Eric nahm die Pfeffermühle und ließ einige Körnchen auf das zarte, eigentümlich aromatische Fleisch fallen. »Claire tut immer weiße Pfefferkörner in die Mühle«, erklärte David. »Nichts gibt dem Lachs ein besseres Aroma als weißer Pfeffer. Aber warten Sie – Claire hat etwas vergessen.« Er stand rasch auf, als handele es sich um eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit, ging zum Kühlschrank, ließ dann Wasser laufen, und präsentierte Eric zwei frisch gewaschene pralle, dunkelrote Tomaten. »Die meisten essen ihren Lachs mit Dill oder einer fetten Soße«, erklärte er. »Aber eine sehr fein geschnittene Tomate gibt ihm eine ganz andere, viel feinere Geschmacksrichtung. Versuchen Sie's! – Na, wie ist es?«
Eric fand keine Worte. Er kaute.
»Wissen Sie, seit ich zurück bin von meiner Runde – ich bin Schmied, weiß nicht, hat Claire Ihnen das erzählt?«
Eric schüttelte den Kopf, zu beschäftigt mit dem Essen, um an eine Erwiderung zu denken.
»Jedenfalls, seit ich zurück bin, liegt mir meine Frau mit Ihrem Lobgesang in den Ohren. Eric hier, Eric da, Eric sagte dies, Eric tat das. Ich wurde schon richtig eifersüchtig auf Sie. Als Sie dann heute Abend vor mir standen, hab ich Claire plötzlich begriffen.« Er machte eine Pause.
»Claire hat es nie verwunden, daß unser Davy seine Heimat verlassen hat. Sie hat immer gewollt, daß wir Geld zur Seite legen, damit wir, wenn Davy soweit ist, noch ein paar Hektar guten Landes hinzukaufen können. Sie wollte, daß er Farmer wird. Aber Davy – den hat's in den Knochen gejuckt, seit er ein kleiner Junge war, in die Stadt zu kommen; Sie wissen schon, Bars, Diskotheken, Gesellschaft. Hier gibt's mal eine Feier vom Anglerverein oder vom Schafzüchterverband. Er wollte mehr, und er ist nicht der einzige. Die meisten jungen Leute verlassen das Dorf,

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