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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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lassen, damit der Hengst seine veränderte Erscheinung akzeptierte: »1.Akt, I. Szene. Es wird drei Hauptdarsteller geben, mein Junge – dich, Resistance und mich. Wenn die erste Szene glatt über die Bühne geht, wird es in der 2. Szene eine vierte Hauptperson geben, nämlich Solitaire. Bist du bereit?«
Excalibur drehte den Kopf in den Wind, der Erics nackte Haut erschauern und kleine Wellen der Erregung darüber laufen ließ.
»Wenn Resistance zurückscheut – und ich könnte ihr das nicht verdenken – dann mußt du die ganze Arbeit machen. Du mußt sie treiben wie noch nie. Sie müssen gehorchen.« Seine Hand fuhr über Excaliburs Hals. Excalibur verschmolz zu einer Einheit mit seinem Reiter. Er drang in dessen innere Welt und wurde zur ausführenden Instanz der Gedanken und Pläne und des Willens dieser Welt. Er setzte sich in Bewegung. Er trieb die Stuten. Seine Tritte waren hoch und zielstrebig wie die eines gut geschulten Dressurpferdes, sein mächtiger Körper wurde gesammelt zu einem Bündel von Energie: er schlug und biß nicht; er beherrschte die Herde einzig durch seine Präsenz – durch ihr Wissen um die potentielle Kraft und das Wissen, daß diese Kraft unvermittelt hervorbrechen würde, wenn sich nur der geringste Widerstand regte. Er trieb sie zum Meer. Die ersten stockten, als ihnen die kleinen, kaum mehr schaumgekrönten Ausläufer um die Fesseln leckten, doch der unüberwindliche Wille des Hengstes hing wie eine Wolke über ihnen allen und drängte sie voran. Dieser Wille legte unsichtbare Ketten um die Herde – keine Stute, kein Fohlen konnte diese Kette durchbrechen und scheuend das Weite suchen. Der Rote stand hoch aufgerichtet hinter ihnen, ohne sich zu rühren, und zwang sie vorwärts durch seinen stummen Befehl.
Resistance war die erste, die ihre Füße auf den nachgiebigen Kies setzte. Sie rutschte tiefer und quiekte, als das Wasser ihre Brust umspülte, riß den Kopf hoch und strampelte, als unversehens kein Grund mehr unter ihr war; aber dann, als sie Luft bekam, als der Schrecken schnell abflaute, fand sie Gefallen an dieser neuen, geradezu schwerelosen Art der Fortbewegung. Es war so ganz anders als zu Land, viel leichter – dieses nie erlebte Element schien sie zu tragen.
Als das Wasser Excalibur und ihn traf, war es Eric, als hätten sie eine Decke aus Eis durchbrochen und seien in die Fluten eines Polarsees getaucht. Er hatte nicht erwartet, daß das Wasser so kalt sein würde. Excalibur versank.
»Vorwärts, Junge! Es ist herrlich, findest du nicht?!«
In Eric brannte wieder die alte Kraft – die großartigste, die Kraft, die die Welt herausfordert. Diese Kraft hat immer ein Ziel, und sie schnellt darauf zu wie der Pfeil auf das kleine schwarze Herz der Schießscheibe.
Sein Ziel war Solitaire.
Excaliburs Nüstern prusteten, aber er reckte den Kopf über die Wellen und trat das Wasser, um oben zu bleiben. Eric saß nicht mehr auf seinem Rücken, sondern berührte, neben ihm schwimmend, nur seinen Hals. »Wir müssen weit raus, Junge. Wirklich weit.«
Excalibur spürte die mitreißende Kraft und fand erneut Zugang zu den Plänen seines Freundes und trieb seine Herde, hinter ihm schwimmend, weiter hinaus ins Meer. Turner und Edward standen am Ufer und waren fassungslos. Turner verknotete die Zügel mit einer Hand. »Ist er verrückt oder was? Was soll das?«
»Ich habe keine Vorstellung, Sir.«
Als sie mehr als eine Meile vom Land entfernt waren, lenkte Eric den Hengst sacht in die Mitte der Herde, wo Solitaire schwamm. Es war typisch, daß sie sich in der Mitte hielt, wo sie geschützt war von den Körpern der anderen. Aber das schützte sie nicht vor ihm. Er glitt zu ihr heran und legte ihr die Hand auf den Hals. All ihr Sträuben und Kämpfen nützte ihr jetzt nichts: Sie versank im Wasser, wenn sie sich zu erbittert wehrte, und wenn sie wieder auftauchte, halb erstickt und zunehmend schwächer, war immer diese Nähe da, hassenswert und beängstigend – und doch –, diese Stimme war gütig und sanft und verständnisvoll ... sie erinnerte sich ... erinnerte sich an Stimmen aus den Tagen vor dem Schrecklichen – es war wie ein blendender Blitz – gab es vielleicht doch einen Weg zurück? Der Hengst trieb sie weiter hinaus. Sie fühlte die Tiefe unter sich. Rechts und links von ihr drehten die anderen Pferde ab und strebten wieder dem Ufer zu, aber sie wurde von dem Willen des Hengstes weitergetrieben; alles war Drohung – dieses fremde kalte Element, ihr natürlicher

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