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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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seinen schmalen dunklen Beinen wurde das Haar schon länger. Bald würde er richtige Behänge haben wie die ausgewachsenen Pferde.
Gott, es war ein gutes Gefühl, auf den eigenen zwei Beinen einhermarschieren zu können, das Gras unter seinen Stiefeln zu spüren und den Wind im Gesicht, und die Augen ohne Schmerzen gegen den blaßblauen Himmel zu richten! Kein Rollstuhl mehr für Eric Gustavson, nein, Sir! Dieses Vehikel, von einem Pfleger oder einer Schwester geschoben, war seine Fortbewegungsmöglichkeit in der Klinik gewesen, und er schüttelte sich. – Nun, das war vorbei, er hatte es geschafft, und soweit würde es diesmal nicht kommen. Heute Abend würde er Lance reiten, und nichts und niemand und ganz gewiß nicht Solitaire würde ihn davon abhalten.
    Er wurde in Sunrise-House bereits erwartet. Grandpa hatte ihn vom Fenster des Salons aus gesehen und kam ihm jetzt entgegengehumpelt. »Tage der Wiederkehr!« Herzhaft schüttelte er Eric die Hand. »Gestern ist Sir Simon hier wieder eingeflogen, nach so was wie einer Odyssee. Aber das kann er Ihnen selbst erzählen. Kommen Sie, mein Junge, kommen Sie.« Er hinkte neben ihm her und warf ihm immer wieder kleine Seitenblicke zu; fragte sich offensichtlich, ob Eric eine Entscheidung hinsichtlich der Gestütsleitung getroffen hatte, wagte jedoch nicht direkt zu fragen. »Wie fühlen Sie sich, Eric? Sie sehen gut aus, bloß ein bißchen blaß um die Nase, aber 's ist ja kein Wunder.« Eric strich sich über sein glattes Kinn. Eines der besten Dinge war, daß er sich wieder rasieren konnte. Anfangs hatte man darauf verzichten müssen, weil sein Schädel und vor allem sein Kinn ganz wund gewesen waren; er hatte sich kaum wiedererkannt, als er in den Spiegel geblickt hatte. Vorbei, sagte er sich wieder. Vorbei. Turner kam auf ihn zugestürmt und bremste sich gerade noch: »Du bist doch in Ordnung? Siehst aus wie Puderzucker!«
    »Kann schon wieder was vertragen, Sir Simon.«
    Darauf gab es eine bärenartige Umarmung und einige kräftige Klapse auf seinen Rücken. »Hörte gestern erst, was mit dir passiert ist, Junge. Üble Sache.«
    »Na, es ist vorbei. – Sie sind ein bißchen herumgewandert, sagte Mr. Fargus.«
»Tja, ich wollte nicht lange wegbleiben, aber ich fand einen netten Gasthof nicht weit von hier und ruhte ein bißchen, und dann dachte ich, es wär gut, zu Hause auf dem Gestüt nach dem Rechten zu sehen, ich stieg also in den nächsten Zug ... Jetzt habe ich aber meinen Wagen mitgebracht. Mrs. Fargus sagte, du willst es noch mal mit Solitaire versuchen, aber falls sie ein ähnliches Ding drehen sollte, würdest du doch wohl vernünftig sein und dein Leben nicht wegen eines einzigen Pferdes aufs Spiel setzen, oder?«
Er schüttelte Erics Schulter. »Die sechs, die du in Arbeit hast, sind natürlich schon wieder ein bißchen verwildert, also, nun ja, es wird Zeit, daß ihre Schulung weitergeht. Du weißt, daß ich sie auf der Herbstauktion verkaufen möchte. Ich will ja nicht drängen«, setzte er etwas gemäßigter hinzu, »und natürlich kannst du nichts dafür, daß du wochenlang im Krankenhaus warst, aber –«
Eric bemerkte, daß Emily und Grandpa Fargus unruhige Blicke wechselten. Er mußte ihnen sobald wie möglich sagen
–, aber in Ruhe, nicht so wie jetzt –, daß er ihre »Bitte« nicht erfüllen würde. Wenn er sich etwas Eigenes aufbauen wollte, brauchte er Leute wie Turner und Mr. Williams, die ihm viel Geld für die Wiederherstellung eines Pferdes zahlten. Allein die Arbeit mit diesen sechs, die er neben Lance behandelte, brachte ihm mehr als das halbe Jahresgehalt eines Verwalters ein.
Aber Solitaire – er mußte es versuchen. Emily hätte keinen stärkeren Anreiz finden können, als ihm ihr erstes Fohlen in Aussicht zu stellen. Es war unwiderstehlich. Dauernd hatte er seither gerechnet – das Fohlen würde in etwa einem Jahr zur Welt kommen. In zwei weiteren Jahren könnte es der Grundstock zu seinem Lebenstraum sein. Er würde Land kaufen in einer guten, fruchtbaren Gegend und gelegentlich ein wirklich gutes Fohlen. Und in ein paar Jahren konnte daraus ein kleines, aber rentables Gestüt werden.
»Es wird sich schon eine Lösung finden, Sir Simon.«
»Ich bewundere Ihre Geduld und Ihren Mut, mein Junge«, sagte Grandpa. »Aber ich versichere Ihnen, daß dieses Pferd heute seine letzte Chance bekommt. Bevor sie dazu kommt, noch ein einziges Mal zuzuschlagen, werde ich –«
»Vater! Sie ist mein Pferd!«
»Mein Sohn hat dieses Pferd von

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