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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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ohne zu murren in seinem unermüdlichen Trab beinahe quer über das ganze Gelände, bis sie den Drahtzaun erreicht hatten, wo er im spitzen Winkel an den Beginn des Cochan-Landes stieß. Auf diesem Ritt saß Eric entspannt mit nur leichtem Knieschluß. Als der Drahtzaun vor ihnen aufblinkte, richtete er sich aus seiner lässigen Haltung auf und nahm die Zügel fester. Gray Beard spitzte die Ohren.
    »Brauchst du eine Pause, Junge?« Der Graue prustete und wandte sich von allein nach Westen, als wisse er, was sein Reiter im Sinn hatte. Eric streichelte seinen Hals, und Gray Beard schien um einige Zoll zu wachsen. Er tänzelte beinahe und setzte sich in Trab, noch bevor sein Reiter ihm das Signal dazu gegeben hatte.
    Die Luft war ganz klar, und da kein Wind ging, waren alle Laute besonders deutlich zu hören und bekamen eine eigentümliche Bedeutsamkeit: das stetige Klopfen seiner Hufe auf dem Waldboden, das Zirpen der Grillen, der gelegentliche schlaftrunkene Ruf eines kurz aufgestörten Tagesvogels, der Schrei einer weit entfernten Wildkatze. Der strahlend helle Mond hatte einen Mantel von lichter Tönung um sich gebreitet, der die darin hängenden Sterne nur blaß hindurchschimmern ließ. Sie trabten durch eine Welt atmenden, geheimen Lebens in Schwarz und Silber.
    Eric suchte nach Schnittstellen im Zaun. Eine Öffnung würde bedeuten, daß die Cochans auf das Land der Fargus' eingedrungen waren, und es wäre dann möglich, sie auf frischer Tat zu ertappen. Dann würde die Polizei sich nicht mehr blind und taub stellen können, und Emily wäre eine große Belastung los. Aber es war nicht nur das ...
    Er blickte zum Mond. Es mußte nach Mitternacht sein. Sie trabten bis zu einem der steilen Küstenausläufer. In der Mitte wurde er von dem schimmernden Zaun gespalten. Der Fels reckte sich hoch über dem Atlantik; sein Rauschen und Strömen, das unaufhörliche Anbranden und Zurücksaugen erreichte ihn wie ein Flüstern. Erics Blick hing gebannt an den wie schwarz getünchten Felsensäulen, die sich vereinzelt aus der unruhigen Oberfläche erhoben und Zeugnis darüber ablegten, daß sie einmal Teil des Festlandes gewesen waren. Er stieg ab, blieb neben Gray Beard stehen und sah über die endlose Fläche des Atlantiks, auf der, gekrönt von unzähligen glitzernden Spitzen, das zerrissene Spiegelbild des Mondes schimmerte.
    Als Gray Beard den Kopf senkte, um zu grasen, erwachte Eric aus seiner Träumerei. »Banause«, sagte er sanft und saß wieder auf, »unromantisches Geschöpf.« Er streichelte den kräftigen Hals und wendete das Pony. »Aber ohne dich hätte ich wahrscheinlich die ganze Nacht hier verbracht.«
    Auf dem Rückweg, nahe beim Grenzzaun, trafen sie wieder auf den Bach, den sie vorhin schon gekreuzt hatten. Erics Mondfieber stieg. »Ich wüßte schon gern, wo der hinführt«, murmelte er. Willig folgte Gray Beard den Windungen des kleinen Wasserlaufs, rutschte vorsichtig über einige abschüssige Strecken und gelangte in ein kleines ovales Tal, auf dessen Sohle sich ein beinah kreisrunder See gebildet hatte.
    Der Graue streckte den Kopf nach dem murmelnden Wasser. »Gute Idee.« Auch Eric war durstig. Er saß ab und ließ das Pony eine feste Stelle am Ufer suchen, wo es bequem stehen und den Kopf zum Trinken neigen konnte. Er streifte das Zaumzeug ab, wusch das Mundstück unterhalb der Stelle, an der Gray Beard trank, und hängte den Zaum an einem Felsvorsprung auf. Dann legte er dem Pony einen Strick um den Hals und verknotete ihn so großzügig, daß er nicht zu eng saß, das Pony aber nicht hinausschlüpfen konnte. Als Gray Beard genug hatte, führte er ihn zu einem Busch und wand das freie Strickende um dessen Stamm. Der Graue hatte jetzt immer noch genug Spielraum, um zum Wasser zu gelangen, wann immer er wollte.
    Das Wasser roch eigenartig, ganz frisch, und es schmeckte prickelnd wie ein Hauch vom Meer. Eric trank aus den hohlen Händen und sah zum Mond auf, als sein Durst gelöscht war. Seine Gedanken wanderten zurück zu jenem Abend, an dem er Emily Fargus kennengelernt hatte, und an seine stumme Zwiesprache mit dem Mond. Er lächelte.
    Der See zog ihn magisch an. Er wirkte wie ein venezianischer Spiegel – gleich diesem mit dunklem Grund und leuchtender Oberfläche. Er kniete nieder und neigte sich über das Wasser, das sein Spiegelbild ungetrübt und völlig glatt zurückwarf.
    Eric gehörte zu den Männern, die nur beim Rasieren in den Spiegel sehen, und so war das Gesicht, das ihm entgegensah,

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