Im Schatten des Pferdemondes
Hickmans wußten natürlich nicht, wovon er sprach, aber sie wechselten einen kurzen Blick, und David erhob sich wieder. »Dann los, mein Junge, sputen wir uns. Claire wird die Pferde füttern, nicht, meine Liebe?«
»Aye, sicher.«
»Aber –«
»Nun fangen Sie nicht wieder eine Aber-Arie an, nay?«
Energisch schob er Eric vor sich her zum Wagen, und als er ihn auf dem Beifahrersitz verstaut hatte, fügte er beruhigend hinzu, »der alte Kasten sieht ja nach nichts aus, aber er hat einen starken Motor. Sie werden sehen«.
Tatsächlich zog der Wagen mühelos die Steigung hinauf. »Es ist spät geworden gestern, hm?«
»Oh, tut mir leid, ich wollte Sie nicht wecken.«
»Nay, nay, Junge, so war s nicht gemeint. Wie 'n Kater sind Sie durch das Haus geschlüpft. Ich wollte mir ein Glas Milch aus der Küche holen, da hab ich dann den Lichtschein oben gesehen.« – Natürlich war es anders: er hatte gehört, wie sich Claire von einer Seite auf die andere drehte und immer wieder horchte; und wenn seine Claire nicht zur Ruhe kam, konnte auch er nicht schlafen, obwohl er sich immer wieder gesagt hatte, der Junge wisse schon, was er tue. Dann aber war er doch erleichtert, als er die sachten Tritte auf der Treppe gehört hatte. Er war aus dem Bett geschlüpft und hatte den gedämpften Lichtschein im oberen Stockwerk gesehen. Er mußte Claire nicht darauf hinweisen. Ein einziges unvorsichtiges Quietschen der Stufen hatte ihr schon verraten, daß der Junge sicher und gesund daheim war.
»Was hat es denn mit diesem Versprechen auf sich? Ich meine, können Pferde so was überhaupt verstehen?«
»Nicht alle, denke ich. Aber Excalibur gehört zu denen, die verstehen. Vielleicht nicht die Worte, aber die Bedeutung. Jedenfalls habe ich ihm versprochen, er müsse nur noch eine Nacht auf der Koppel zubringen, und ich habe verschlafen, und jetzt kann ich mein Versprechen nur verspätet einlösen.«
»Sie sollten sich nicht zuviel zumuten, Junge«, sagte David, »es waren über zwanzig Stunden harte Arbeit gestern.« Aber er fuhr so schnell, daß er nicht einmal seine geliebte Pfeife entzünden konnte. »Ich hab den Roten noch nie gesehen. Na – da hab ich Claire ja was zu erzählen.«
Bald lag das Tor hinter ihnen, sie brausten durch den dichten Wald und scheuchten Scharen von Vögeln auf, die sich die Strahlen der frühen Morgensonne auf das Gefieder scheinen ließen.
»Langsamer bitte jetzt, David. Er wird sowieso schon aufgeregt sein.«
Der Rote stand wie in der letzten Nacht, hoch aufgerichtet, gesammelt und aufmerksam ihnen zugewandt. Das lange Stirnhaar fiel ihm über die Augen, seine Nüstern waren mißbilligend gebläht. In der gegenüberliegenden Ecke war ihm Hafer hingestreut worden, Heu lag aufgeschüttet daneben, aber offenbar hatte er das Futter nicht angerührt.
Er hatte gewartet.
Als Eric ihm entgegenging, hob er das rechte Vorderbein sehr langsam und gerade, winkelte es an und ließ den Huf mit Macht auf die Erde sausen. Eric blieb stehen.
»Entschuldige bitte«, sagte er ernst. »Es tut mir leid. Ich habe verschlafen.«
Der Hengst warf den Kopf zurück und maß ihn langsam von oben bis unten.
»Ich war pflichtvergessen, Excalibur. – Läßt du mich ran, oder kriege ich deine Hinterhufe ins Gesicht?« Eric trat einen Schritt näher, zutiefst zerknirscht. »Ich werd dir nicht versprechen, daß es nie wieder vorkommt, denn was würdest du von mir denken, wenn es doch geschähe? Aber ich werde vernünftiger sein.«
Excalibur streckte ihm die Ohren entgegen, dann den ganzen Kopf; er witterte, drehte beide Ohren nach außen und schien zu sondieren, was ihm sein Geruchssinn zutrug. Dann setzte er sich in Bewegung, kam mit kleinen tänzelnden Schritten näher – noch konnte er sich unvermittelt umdrehen und nach Eric schlagen.
Der mächtige Kopf stieß ihn gegen die Brust, doch bevor er vor der Wucht zurücktaumelte, glitten die Gamaschen schon über seine Schulter und hielten ihn aufrecht. Da waren Zärtlichkeit und Fürsorglichkeit in dieser schnellen Bewegung des Pferdekopfes. Eric schöpfte Mut und legte dem Hengst die Arme um den Hals, und Excalibur rührte sich nicht. Eine ganze Weile standen sie so, wie versunken in stummer Zwiesprache.
»Ich leiste dir Gesellschaft, wenn du willst.« Der Hengst gab seine Schulter frei, sprengte mit einem leichten Aufwerfen des Kopfes die lockere Fessel der Arme und begann, Eric mit kleinen, munter federnden Tritten zu umkreisen, wobei er ihn auffordernd mit der Nase anstieß. Eric
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