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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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beinahe wie das eines Fremden.
    Hugh, geschickt in so vielen Dingen, hatte ihm während seines Krankenhausaufenthaltes die Haare geschnitten, als das Kämmen zu schmerzhaft für seinen wunden Schädel geworden war, aber er hatte Erics üblichem Kurzschopf eine neue Variante verliehen, indem er das Haar über der Stirn nicht angerührt hatte, so daß es ihm jetzt gelegentlich ins Gesicht fiel; und es war nicht glatt, sondern leicht gewellt. Eigenartig, er hatte immer geglaubt, sein Haar sei so gerade wie ein Streichholz, aber wohl nur, weil er ihm nie die Gelegenheit gegeben hatte, länger als ein Streichholz zu werden. Belustigt zog er an einem Büschel Haare, spannte es, wobei er es im Wasserspiegel genau beobachtete, und ließ es los. Elastisch sprang es zurück und fiel ihm in die Stirn – eine weiche Welle. Ganz nett, dachte er, aber insgesamt doch eher störend. Er würde es abschneiden, gleich morgen. Langes Haar war unpraktisch. Für den Augenblick würde es genügen, es mit etwas Wasser zu bändigen. Er tauchte die Hände ein und stellte überrascht fest, daß das Wasser lauwarm war. Wahrscheinlich war dieser See nicht sonderlich tief und hatte während des sonnigen Tages die Wärme aufgesogen. Ein unwiderstehliches Verlangen nach einer Erfrischung überkam ihn. Gray Beard hörte auf, am Gras und den noch zarten Laubspitzen des Busches zu zupfen, und beobachtete mit gespitzten Ohren, wie Eric seine Kleidung abstreifte. Dann wandte er gleichmütig den Kopf und fraß weiter. Eric trug noch die Badehose unter seinen Reitsachen. Er war froh darüber, denn schamhaft wie er war, hätte er sich selbst vor den unbeteiligten Blicken des Wallachs geniert, ganz nackt zu baden. Seine Bewegungen kräuselten die glatte Oberfläche. Etwa in Hüfthöhe verlor er festen Grund, ließ sich vom Wasser umgreifen und tat einige langsame Schwimmzüge. Das Wasser war knapp unterhalb der Oberfläche deutlich kälter durch den ständigen Zustrom des kühlen Baches. Er schwamm schneller, um nicht kalt zu werden, und während er kraulte, wurde ihm warm. Er schwamm die Anstrengungen dieses ereignisreichen Tages weg.
    Wie ein Delphin schoß er aus dem Wasser empor und tauchte wieder tief ein; genaugenommen hatte er sich nicht an das Versprechen gegenüber Dr. Mercury gehalten, dabei hatte er es Claire gegenüber am Abend noch wiederholt. Dr. Mercury hatte ihn gebeten, sich nicht zu viel zuzumuten. Aber er fühlte sich großartig. Er hatte sich nicht verausgabt.
    Schließlich drehte er sich auf den Rücken und trieb mit kleinen Stößen träge dahin, das Gesicht dem Mond zugewandt, versunken in Erinnerung an diesen übervollen Tag. Er war zufrieden mit sich, ja, er war wirklich zufrieden. Er hatte keine Wunder vollbracht, aber er hatte doch einiges bewegt. Und einiges war für ihn bewegt worden – Turner hätte sich in seinem Zorn leicht von ihm abwenden können, auch wenn er es bald darauf bedauert hätte. Aber er hatte es nicht getan, und Lance konnte aufgrund dieser Entscheidung vielleicht bald wieder ein völlig normales, angstfreies Leben führen.
    Abrupt ließ er sich tief ins Wasser fallen, behielt nur Kopf und Schultern über der Oberfläche, Wasser tretend und angespannt in das Dunkel spähend: er fühlte eine Last – schon seit einiger Zeit, aber gerade eben war er sich dessen schlagartig gänzlich bewußt geworden. Ein Augenpaar ruhte auf ihm. Es mußten Augen sein, denn er hatte ohne zu denken den Kopf in eine bestimmte Richtung gewandt, wie man es tut, wenn man angesehen wird. Natürlich war in der schwarzweißen Wildnis um ihn herum nichts auszumachen, aber auch das Pony hielt den Kopf hoch und in die Richtung gewandt, die sein Blick unbewußt gesucht hatte. – Trotzig warf er sich wieder auf den Rücken und schnellte durch die Mitte des Sees. Vielleicht ruhte der scharfe Blick eines Käuzchens auf ihm, oder die Augen einer Wildkatze. Er tauchte unter; fühlte sich von diesen Augen bei allzu großer Selbstzufriedenheit ertappt.

13

    Am nächsten Morgen war es nur dem guten Geruch starken Tees zu verdanken, daß er erwachte: Claire hatte ihn geweckt, und er hatte die Decken schon zurückgeschlagen, war dann
    aber wieder eingeschlafen. Als der Teehauch jetzt seine Nase nur streifte, sprang er hoch, sauste unter die Dusche und in seine Kleider. In nur fünf Minuten war er unten am Frühstückstisch, setzte sich aber nicht, sondern trank eilig eine Tasse Tee im Stehen. »Ich muß weg. Ich hab's dem Roten versprochen.« Die

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