Im Schatten des Ringes
im Tafelland hergestellt worden, war aber höchstens von minderer Qualität. „Das ist nur versilbertes Messing“, stellte ich fest und schaute ihn an. „Die Frau, die das gefertigt hat, wird erfreut sein zu hören, daß Euch ihre Arbeit gefällt. Sie zerbrach sich schon den Kopf, wie sie Euch die geforderten Steuern bezahlen soll, da sie nur selten mit Münzen handelt.“
Der König nahm mir den Pokal aus der Hand, füllte ihn mit Nektar und schenkte dann einen Tonkrug voll. Diesen reichte er mir. Dann lehnte er sich zurück und nippte an seinem Pokal. „Du bist doch wohl nicht hergekommen, um mit mir über Steuern zu reden“, sagte er. Seine Stimme klang wieder sanft, und sein Schwanz entspannte sich.
„Aber ja doch“, entgegnete ich. Meine Antwort machte ihn neugierig, denn seine Ohren zuckten hoch. Ich lächelte ihn über meinen Nektarkrug hinweg an. Das Getränk war wundervoll mild und mit aromatischen Kräutern gewürzt. „Natürlich nicht über die Steuern der Metallhandwerker, sondern über die Steuern Akadems. Wir möchten wissen, ob Ihr bereit seid, dies hier als Bezahlung anzuerkennen.“ Ich setzte den Krug ab, holte die Landkarte aus meiner Robe und reichte sie ihm.
Als hätte er Hemmungen, das Siegel zu erbrechen, löste der König es vorsichtig mit einer Kralle. Dann breitete er die Karte aus Hirschleder auf dem Kaminstein aus und betrachtete mein Werk.
Mein Atem kam in kurzen Stößen. Es war eine Karte meiner Heimatstadt in ganz neuem Stil, die ich mit Unterstützung des Sklaven angefertigt hatte. Sie erschien wie aus der Sicht eines Gottes und zeigte detaillierte Darstellungen, wie das menschliche Auge sie niemals in dieser Form zu sehen bekam. Würde der König erkennen, daß es eine wahrheitsgetreue Darstellung war und nicht nur ein besonders sorgfältig und hübsch gezeichnetes Bild? Würde er die Bedeutung der Legende begreifen, die ich verwendet hatte? Konnte der Mann überhaupt lesen? Er runzelte die Stirn und legte die Ohren zurück.
„Das ist eine Karte …“
„Das sehe ich selbst“, unterbrach er mich unwirsch. „Damit brauchte ich in deiner Stadt keinen Führer.“
Erleichtert lächelte ich. „Meine Stadt ist so klein, daß Ihr wahrscheinlich noch nicht einmal einen Führer brauchtet, wenn Ihr sie nicht zur Verfügung hättet.“
„Aber was ist das?“ fragte er und strich mit einem Finger über den Rand der Karte.
„Goldblätter, die in das Leder eingehämmert wurden, um die Karte zu schmücken.“
„Bei den Göttern, Frau! Muß ich dir jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen? Ich bin kein Idiot. Warum hast du als Zierat ausgerechnet Feuerkugeln genommen?“
„Das weiß ich nicht“, erwiderte ich ratlos. Daß ihm die Verzierungen nicht gefallen würden, hatte ich überhaupt nicht erwartet. „Ich denke, ich hab’ sie genommen, weil sie so hübsch sind.“
Er setzte sich wieder hin, massierte seinen Nacken, als hätte er plötzlich Schmerzen. Seine Augen verengten sich, und er knirschte mit den Zähnen. „Hast du schon mal von Feuer geträumt?“
Darauf wollte ich nicht antworten und tat es auch nicht.
Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Dein Schweigen verrät dich.“
„Ich wollte Euch nicht ärgern. Wenn ich träume, dann gehören diese Träume ganz allein mir, und ich allein liebe sie“, drückte ich mich vorsichtig aus.
„Oder du fürchtest sie“, meinte er ernst.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Angst vor Träumen.“
„Ich schon“, gestand er. Dann fragte er: „Wie bist du hergekommen, Heao? Wie kommt es, daß du sogar vor meinem Adjutanten hier warst?“
„Ich begleitete einen Kaufmann, Baltsar, der überdies ein ganz hervorragender Bergsteiger ist.“
Er nickte. „Ja, ich glaube, ich hab’ ihn in einer Nische des Festsaales gesehen. Bestimmt hat er sich die Einladung über einen Freund verschafft. Ich hätte mir denken können, daß er die meisten Gewinne gemacht hat. Hat er dir verraten, wieviel er daran verdient hat, im letzten Sommer meine Streitmächte zu verpflegen? Nein? Natürlich nicht. Er ist sehr verschwiegen, dieser Kerl. Nun ja, komm, stürzen wir uns ins Vergnügen.“
„Die Karte“, erinnerte ich ihn. „Ich könnte Euch eine mit einer gefälligeren Verzierung am Rand machen.“
„Nein“, wehrte er ab. „Die hier ist sehr schön. Von Zeit zu Zeit brauche ich solche Erinnerungen an gewisse Dinge.“ Er rollte die Karte zusammen und schob sie in seinen Gürtel.
„Erinnerungen woran?“ platzte ich
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