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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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heraus, unfähig, die Frage für mich zu behalten.
    „Daran, wie es sein wird, im Feuer umzukommen.“
    Ich schauderte. „Euer Traum …“
    „Vielleicht“, sagte er. „Nur die Zeit wird mir zeigen, ob mein Schicksal besiegelt ist. Wenn ich ertrinke …“ Er lachte. Aber sein Lachen klang hohl. „Komm, Heao.“
    Er führte mich durch ein Labyrinth schmaler Korridore in einen großzügigen, unterirdischen Saal, in dem ein Gedränge von hochrangigen Soldaten herrschte. Ich war völlig unvorbereitet auf die lässige, informelle Art, in der sie ihren König begrüßten, ihn sanft knufften, manchmal mit dem Schwanz streichelten, ihm den Rücken zuwandten, um sich von dem Nektar und den Speisen zu nehmen. Prinz Chels Vater, unser verstorbener König, pflegte tempelähnliche Formalitäten, so daß ich in seiner Gegenwart immer das Gefühl hatte, ein Gott sei zu uns herabgestiegen und hielte sich in unserer Mitte auf. Der Erobererkönig schien inmitten seiner Freunde viel gelöster zu sein als allein mit mir, und ich wünschte, ich hätte gewußt, wie ich ihn in eine angenehme Stimmung hätte versetzen können. Doch ich hatte mich an die Regeln meines toten Königs gehalten, hatte meine Worte sorgfältig gewählt, hatte mich bemüht, eine respektvolle, ja unterwürfige Haltung an den Tag zu legen. Ich nahm an, daß dieser Mann keine Formalitäten brauchte, um seine Herrschaft zu festigen, denn als er in Wut geriet, hatte ich plötzlich Angst empfunden, und dies war für mich eine höchst ungewöhnliche Erfahrung gewesen.
    Der König entdeckte in der Menge Baltsar, der ein Spinnfadengewand mit Goldstickereien trug. Als ich den bewundernden Blick des Königs bemerkte, war ich überzeugt, daß Baltsar den gesamten Vorrat an Spinnfäden verkaufen würde, den er aus meiner Heimatstadt mitgebracht hatte.
    „Ist dies eine genaue Darstellung der Tafellandstadt?“ Der König reichte Baltsar meine Karte.
    Der Kaufmann entrollte sie feierlich und hielt sie so, daß auch die Umstehenden sie betrachten konnten. Hälse verrenkten sich, Augen starrten, und bei den Lobpreisungen und den bewundernden Ausrufen über die Höhe der Gebäude, der Kuppeln und Bögen zwinkerte Baltsar mir zu. Dann sagte er zu dem König: „Abgesehen davon, daß alle hier gezeigten Brücken noch nicht wiederaufgebaut wurden, ist sie sehr genau.“
    „Ihre Fähigkeiten stellen die unseren in den Schatten“, sagte der König. Ich nahm an, er meinte damit die Gebäude und nicht die Genauigkeit meiner Karte.
    „Aber nicht ihre kriegerischen Fähigkeiten“, warf jemand ein und erntete dafür einen strafenden Bück des Königs.
    „Irgendwann einmal wird es in meinem Reich viele solcher Städte geben, und sie werden voll sein mit Metallpokalen und feinen Stoffen. Und es wird kein Blutvergießen mehr geben, wenn sie gebaut werden“, sagte der König.
    Jene, die zugehört hatten und mindestens ebenso schlachtmüde waren, nickten zustimmend und lächelten. Einige schienen das zu bedauern, äußerten sich aber nicht. Im stillen wünschte ich, er hätte diese Friedenserklärung schon vor einem Jahr gemacht.
    „Ich will, daß einige von euch so bald wie möglich die Tafellandstadt besuchen, um ihre Bautechnik kennenzulernen. Ich bin sicher, daß Baltsar schon in einigen Nächten dorthin zurückkehren und glücklich sein wird, einige von euch mitzunehmen.“
    „Natürlich“, erklärte Baltsar freundlich.
    Einige Soldaten meldeten sich freiwillig und besprachen, wer sie begleiten sollte. Offensichtlich glaubten die Betreffenden nicht, daß der König sie zu Baumeistern machen wollte. Und vielleicht hatten sie sogar recht, denn der König meinte weiter: „Nehmt auch junge Handwerker mit, die mit ihrer Ausbildung noch nicht fertig sind.“ Er seufzte. „An der Küste gibt es eine noch junge Gilde von Steinmetzen und Tunnelbauern aus meinem alten Heimatdorf, die ich ebenfalls hinschicken würde, doch bis die hier eintreffen, ist die Karawane längst aufgebrochen. Ich würde sie ja selbst führen, aber ich fürchte, daß ich im Sommer mit Grenzstreitigkeiten mehr als genug beschäftigt sein werde. Ich wünschte, ich hätte mehr Führer.“
    Ich wußte, daß eine gute Karte dem Erobererkönig genauso helfen würde wie erfahrene Führer, und ich hatte eine gute Karte, die fast meine Brust versengte. Baltsar wußte, daß ich eine hatte, denn er schaute mich nichtssagend an. Ich zögerte, dann holte ich sie heraus. Schließlich war der Erobererkönig immer noch mein

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