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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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und Bedürfnissen ihres Unterbewußtseins folgen, sind allgemein glücklicher als jene, welche diese Begierden verleugnen oder sich dagegen zur Wehr setzen und sie unterdrücken. Solche Wünsche, vom Denkenden selbst unerkannt, sind dem hinteren Teil des Gehirns oft bewußt, nur wird diese Information dem vorderen Teil vorenthalten.
    Als wir wieder ins Tafelland zurückgekehrt waren, konnte keine der beiden Hälften meines Gehirns irgendwelche Informationen darüber liefern, wann genau ich mich in den Kaufmann verliebt hatte. Was mir immer noch nicht ganz klar war, betraf meine Möglichkeiten herauszufinden, ob er genauso empfand wie ich. Die Idee, ihn geradeheraus zu fragen, verwarf ich sofort. Bis zum nächsten Jahrestag meiner Geburt war ich an Rellar fest gebunden, und bis zu diesem Zeitpunkt konnte und durfte ich keine Abmachungen oder Arrangements treffen, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu bitten. Wenn ich mich jedoch an ihn wandte, würde ich meine Absichten offenlegen, und wenn Rellar nicht einverstanden war, konnte er meine Pläne durchaus verwerfen und mich in seine eigenen Pläne einbauen.
    Ich löste dieses Dilemma, indem ich mich anschickte, Baltsars Gefühle in diese Richtung mittels einer eher indirekten Methode zu ergründen. Ich brachte Prinz Chel in Baltsars Lager. Baltsar war überrascht; ich hatte ihm versprochen, ihn mit Chel bekannt zu machen, jedoch war vereinbart, daß ich ihn zu Chel bringen würde. Wir begrüßten uns auf den Klippen in einem heftigen Regen, der jedoch Baltsars Enthusiasmus und, wie ich hoffte, seine Freude, mich so bald nach unserer beschwerlichen Reise aus dem Tiefland wiedersehen zu dürfen, nicht im mindesten dämpfte.
    „Mein Prinz ist geradezu verzweifelt“, sagte ich, als wir die Höflichkeiten ausgetauscht hatten. „Er hat mehr Aufträge für Lieferungen aus seinem Steinbruch, als seine Arbeiter schaffen können. Jeder neu heraufkommende Tiefländer scheint zum Ziel zu haben, mehr zu bestellen als sein Vorgänger.“
    Chel, dessen Hand in einer freundschaftlichen Geste auf meinem Nacken ruhte, bohrte eine einzige Kralle durch mein Cape und meine Haut. Er deutete mir damit an, daß er sich hinsichtlich des Feilschens dem Kaufmann nicht gewachsen fühlte.
    Mein Arm umfing den Prinzen, und ich vergrub meine Finger im dichten Pelz seines Nackens. „Der Kaufmann ist mein Freund, dem ich blind vertraue.“
    „Aber nicht der meine“, erwiderte Chel so laut, daß Baltsar ihn hören konnte.
    Enttäuscht zog ich meine Hand aus Chels Nackenpelz zurück. Er hatte eine streitsüchtige Art. Auf seiner Brust befand sich mehr als nur eine Narbe, die von den Zweikämpfen seiner Jugend zeugten, jedoch hatte die Kameradschaft zwischen uns die Zeiten überdauert. Ich stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihm in die zornfunkelnden Augen. „Der Kaufmann ist mindestens ebenso verzweifelt“, erklärte ich. „Er braucht ein neues Quartier, aber dein Steinbruchmeister ist nicht gewillt, den Auftrag anzunehmen. Er habe zu wenige Arbeiter, weißt du?“
    Etwas besänftigt zuckte Chel lässig mit dem Schwanz. „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“
    „Das hätte ich sicher getan, wenn du deine Krallen nicht auf meinen Nacken gelegt hättest.“
    Das Wort „Entschuldigung“ befindet sich nicht im Wortschatz meines Prinzen. Statt dessen streichelte sein Schwanz den eigenen Nacken in einer Geste der Vergebung. Diese Geste ist typisch für Chel. Ich glaube, er eignete sie sich erst spät in seinem Leben an als eine Art Ersatz dafür, daß er nicht ständig mit seinen Widersachern im Streit lag … denn es dauerte lange, bis er die Erfahrung machen mußte, daß er in Wahrheit mit seinen Klauen recht langsam war. Er entwickelte nur wenig Energie zum Kampf, während seine Freunde sich eine ausgefeilte Taktik aneigneten oder auf Tempo trainierten. Hatte er seinen Gegner erst mal gepackt, dann gab es für ihn kein Entkommen mehr; er war fürchterlich, stark und gnadenlos.
    „Prinz und Kaufmann brauchen sich“, erklärte ich. „Warum sollen wir noch Zeit vergeuden?“
    Baltsar musterte Chel. „Sie hat etwas mit uns gemacht, woran nun nichts mehr geändert werden kann. Wir sollten endlich miteinander verhandeln.“ Er wies auf seine Behausung in den Felsen. Chel nickte und ging voraus.
    In der Behausung befand sich ein Teppich aus gedörrtem Moos, ein hell loderndes Feuer und ein luxuriöser Kaminvorleger, auf dem drei Trinkschalen und ein Gefäß mit Bonbons aufgedeckt waren.

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