Im Schatten des Ringes
Ingwer strichen uns um die Nasen. Ich nippte gierig; Rellars Küchenplan war gewöhnlich sehr eintönig und schlicht.
„Na schön, dann eben die Vorzüge. Ich werde das vom Preis abziehen, was ihr auslaßt“, sagte Chel ungerührt.
Baltsar seufzte. „Die großen Männlichen können nahezu ihr eigenes Gewicht über eine kurze Strecke tragen. Alle, Weibliche wie auch Männliche, können mehr als ich oder Ihr über eine große Entfernung hinweg tragen. Richtig beladen, sind sie praktisch für eine ganze Zwienacht ermüdungsfrei. Wie Ihr sicher bemerkt habt, sind ihre Hände sehr breit, und ihre Rücken sind kräftig. Sie können eine Hacke oder eine Axt mit einem Stiel so dick wie Euer Handgelenk schwingen und damit zwei- bis dreimal soviel Stein fördern, wie unsere eigenen Arbeiter in einer Zwienacht schaffen. Meine Sklaven arbeiten ohne besondere Aufsicht, jedoch scheint das von der Ausbildung und vom Temperament des jeweiligen Sklaven abhängig zu sein. Ich gehe nicht so weit, dies als universelle Qualität anzupreisen.“
„Wie ich hörte, schlafen sie nachts“, sagte Chel und trank von seinem Tee.
„Das stimmt“, gab Baltsar zu, „jedoch macht ihre außergewöhnliche Kraft die verlorene Zeit mehr als wert. Es gibt Gegenden im Tiefland, wo sie ausschließlich auf den Feldern eingesetzt werden, wodurch die Bauern frei sind, für den König zu arbeiten.“
Chel runzelte die Stirn. „Die Arbeit des Königs“, murmelte er, „alles geschieht nur für den König.“ Seine Ohren legten sich zurück, als er weiter vor sich hin redete.
Baltsar runzelte die Stirn, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Alle schimpften über die scheinbar sinnlose Ausweitung unserer Stadt. Ohne eine logische Erklärung kamen weiterhin laufend Leute des Erobererkönigs bei uns an, manchmal in Scharen wie die, welche Baltsar hergeführt hatte, und manchmal in kleinen familiären Gruppen. Sie brachten die Goldmünzen des Königs mit, daher blühte die Stadt nach und nach auf. Die Leute mit Einfluß und Autorität hingegen, also Leute wie Chel, fühlten sich dadurch bedroht. Die Neuankömmlinge unterwarfen sich seiner Herrschaft nur mit Widerstreben, da sie von einer weitaus mächtigeren und weiter entfernten Autorität gelenkt wurden. Und die Alten betrachteten Chel voller Mißtrauen, denn er befand sich in der seltsamen und unangenehmen Situation, seine persönlichen Verluste wieder aufarbeiten zu müssen, ohne seine Reputation als Führer aufs Spiel setzen zu dürfen.
Schließlich legten Chels Ohren sich wieder nach vorne, und er nickte. „Ich will die Sklaven. Es ist für mich die einzige Möglichkeit. Wieviel Baumaterial möchtet Ihr als Gegenleistung?“
„Ich glaube, daß das Material aus dem Steinbruch jetzt besonders hoch gehandelt wird“, sagte Baltsar nachdenklich, „und bis Ihr genügend Arbeitskräfte habt, wird die Auslieferung nur sehr schleppend vonstatten gehen.“ Als Chels Schwanz unwirsch zuckte, redete Baltsar schneller. „Ihr besitzt in der Stadt nicht weit vom Marktplatz ein Haus, das nicht bewohnt ist.“
Baltsars Erklärung unterband die Diskussion jedoch nicht; gutes Land war mindestens ebenso teuer wie Baumaterial und Baumeister. Am Ende erhielt Chel jedoch achtzehn Sklaven als Gegenwert für das Stadtgrundstück mitsamt dem Bauwerk. Damit war eine Verbindung zu den Höhlen und Klippenbehausungen in einer angrenzenden Schlucht hergestellt. Nach seinem Belieben konnte Baltsar sich eine angemessene Wohnung bauen, und bis dahin waren die Räumlichkeiten in den Klippen immerhin geräumiger und geeigneter für seine Zwecke als die Höhle am Meer.
Während Chel seine achtzehn Sklaven aus dem Kontingent aussuchte, nahm Baltsar mich beiseite.
„In Zukunft solltest du mit Informationen über mich … oder meine Kunden nicht so freizügig umgehen“, sagte Baltsar. Er schien verärgert zu sein.
„Es ist erschreckend, wieviel Zeit beim Feilschen vergeudet wird“, sagte ich. „Es ist so sinnlos. Auf diese Weise habt ihr beide ein gutes Geschäft in der Hälfte der Zeit gemacht, die ihr gebraucht hättet, wenn nicht jeder gewußt hätte, daß der andere ein williger Käufer ist.“
„Du begreifst nicht“, sagte Baltsar. „Du hast uns den ganzen … Spaß genommen.“
Spaß! Nach meinen bisher gemachten Erfahrungen konnte von Spaß doch wohl keine Rede sein. Auf dem Marktplatz herumzulaufen, empfand ich einfach als lästig. Es war eine unangenehme Pflicht, die man erfüllte, weil man sich unter
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