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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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primitive Leute begeben mußte. Meine Arbeit jedoch, die darin bestand, die Welt zu betrachten, mathematische Regeln und Gesetze als Rahmen zu benutzen, um die Welt auf einer Landkarte darzustellen, mich mit Problemen zu beschäftigen und nach deren Lösungen zu suchen, wo der Geist des einfachen Menschen überhaupt kein Problem erkennen konnte – nun, das machte Spaß! Ich mußte laut über mich selbst lachen. „Darauf wäre ich nie gekommen“, sagte ich zu Baltsar. „Ich werde es ganz bestimmt nie wieder tun.“
    Er nickte, offensichtlich verblüfft durch mein Gelächter, jedoch nahm er mir ab, daß ich die Entschuldigung aufrichtig gemeint hatte.
    „Wann wirst du mit deinem Hausrat umziehen?“ fragte ich.
    „Sobald Prinz Chel gegangen ist“, erwiderte er und musterte mich immer noch voller Mißtrauen. „Warum?“
    „Ich würde dich sehr gerne in deinem neuen Quartier besuchen.“
    „Wenn du kommst, dann bring bitte deinen Meister mit“, sagte er. „Durch dich bin ich ihm sehr viel schuldig … indem ich die neue Route ins Tiefland fand; dann ist da die Karte, die du für mich angefertigt hast, und schließlich hast du mich auch mit Prinz Chel bekannt gemacht.“
    Bei solchen Verbindungen sind die Regeln und Gesetze sehr streng und sehr genau, daher hatte Baltsar durchaus recht. „Ich habe aus Freundschaft gehandelt“, erklärte ich, „aber wenn du darauf bestehst, daß du mir für mein großzügiges Entgegenkommen etwas schuldig bist, dann darfst du mit dem Zurückzahlen ruhig warten, bis ich volljährig bin.“
    „Das wäre doch nicht ganz rechtmäßig, oder?“
    Ich zuckte die Achseln. „Ich war auch zu meinem Meister nicht vollkommen ehrlich. Ich habe zum Beispiel gewisse Details der Küstenroute auf der Karte ausgelassen, die ich ihm nach der Reise zeichnete.“
    Baltsars Augen zeigten seine Zufriedenheit, während sein Schwanz jedoch mißbilligend zuckte. „Wie unangenehm“, sagte er.
    „Nur wenn du Anstalten machst, Rellar etwas zu bezahlen.“ Ich schob meine Arme unter das Regencape, da der kalte Regen mich plötzlich frösteln ließ. „Vergiß es doch einfach, Baltsar. Rellar ist ein sehr umgänglicher, sanfter Meister, jedoch liebt er es, in allen Dingen die volle Kontrolle zu behalten.“
    „Und du liebst es, ihn in dem Glauben zu lassen, daß ihm nichts entgeht.“ Er runzelte die Stirn und vollführte mit seinem Schwanz eine drohende Gebärde, als wäre ich ein unartiges Kind.
    Erzürnt stampfte ich mit dem Fuß auf. „Ich bin zwar respektlos und dreist, doch ich habe auch alles unter Kontrolle. Gib Rellar das Geschenk, das dein schlechtes Gewissen beruhigt. Und wenn du dies tust, dann kannst du auch gleich darüber nachdenken, wie du unsere Freundschaft erneuern könntest. Leicht wird das sicher nicht!“ Ich legte meinen Schwanz in trotzige, schmollende Windungen.
    „Ich wage es“, meinte er nachdenklich. „Man kann sich nicht der Geradlinigkeit bedienen, während man bemüht ist, etwas zu verbergen, ohne einen Verlust hinnehmen zu müssen. Gewöhnlich ist es Stolz. Freundschaft ist stärker als nur Stolz – zumindest gilt das für mich.“
    Beinahe hätte ich ihn beschimpft. Wie konnte es sein, daß sein Stolz vor Rellar wichtiger war als vor mir? Wer von uns verdiente denn nun seine Loyalität mehr? Aber Baltsars Stolz war gerechtfertigt; er war ein bescheidener Mann, der von einer inneren Kraft getrieben wurde, mehr und Besseres zu leisten, als von ihm erwartet wurde. Mein Stolz war so etwas wie eine Droge – nicht in meiner Selbstachtung sondern in meiner Abneigung gegen das verlorene Urteil der Gesellschaft.
    „Es tut mir leid“, sagte ich schließlich. „Ich bedaure zutiefst, dich in meine Beziehung zu Rellar einzubinden. Überbringe ihm dein Geschenk und liefere ihm als Erklärung, was immer dir einfallen mag. Du hast die Folgen allein zu tragen.“
    Ich fühlte seine Hand auf meiner Schulter und hörte ihn flüstern: „Du bist eine wahre Freundin, Heao.“
    „Gute Freundschaften sind immer einen gewissen Preis wert“, sagte ich und fragte mich dabei, wie weit die Liebe dieses Mannes wohl gehen mochte und welches ihr Symbol war.
     
8
     
    Ich mochte Baltsars Gesellschaft, und ich glaube, er mochte meine nicht minder. Manchmal suchte ich ihn unter einem Vorwand auf, zum Beispiel mit dem Wunsch, die Kupferminen oder irgendein Bergdorf aufzusuchen, um den Bericht eines Reisenden über einen besseren Pfad oder einen weniger steilen Anstieg zu überprüfen oder

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