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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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meint Ihr, was in mir vorgeht, wenn ich mir klarmache, daß das einzige Wesen, für das ich noch etwas empfinde, eine pelzige Katze ist?“
    „Mir geht es da auch nicht viel besser“, hielt ich ihm hitzig entgegen. „Du bist nichts anderes als ein Sklave, und außer Sema, die überhaupt noch nicht begreift, was um sie herum geschieht, bist du der einzige, der mir noch geblieben ist.“
    „Ich weiß“, seufzte er. „Ich weiß. Eure Wut über die Ignoranz der Menschen habe ich stets geteilt.“
    „Wirklich? Oder hast du mich nur deshalb so freundlich behandelt, weil ich mich für das Ende der Sklaverei eingesetzt habe?“
    Er machte eine hilflose Geste. „Wie soll ich das wissen? Könnt Ihr, die Ihr nie das Sklavenleben kennengelernt habt, überhaupt ermessen, wie wichtig mir die Freiheit ist? Ich wünschte sie und verehre sie mehr als alles andere im Leben. Und Ihr … Ihr seid für mich der Inbegriff der Freiheit.“
    Ich trat aus dem Schatten und ließ mich neben ihm nieder. Nach einem Moment legte er einen Arm um meine Schultern und bestürmte mich, unsere Freundschaft zu leugnen. Ich konnte und wollte es nicht. Er erkannte nun, in welcher Position er sich befand, und bedauerte das zutiefst. Fürs erste durfte ich ihn nicht um mehr bitten. Gleichzeitig schöpfte ich heimlich aus ihm die Kraft, die ich brauchte, um mit meiner eigenen Situation fertig zu werden. Schließlich hatte ich wieder zu mir selbst gefunden, und er schien die Veränderung meiner Haltung sofort zu bemerken. Er schaute mich fragend an, als ich den Kopf hob.
    „Du mußt Sema zu Baltsar bringen und dort bleiben, bis ich dich holen komme“, erklärte ich.
    „Warum? Was habt Ihr vor?“
    „Ich … muß etwas erledigen.“
    „Wo wollt Ihr hin?“ fragte er scharf.
    Ich atmete tief durch. „Zum Tempel, wo ich Tarana um Vergebung bitten will.“
    Sein tröstender Arm sank herab, und sein Gesicht verzerrte sich in innerem Schmerz. „O Heao … nein.“ Er schluchzte erstickt auf und wandte sich von mir ab.
    „Was soll ich denn sonst tun? Rellar ist tot. Es wäre der reinste Selbstmord, weiterhin gegen Tarana und Chel zu kämpfen.“
    „Und eine Sünde zu sterben, ehe Ihr Eure Mission erfüllt habt“, sagte er bitter. „Warum konntet Ihr denn nicht von Frieden und Gerechtigkeit träumen?“
    „Es gibt Gesetz und Ordnung, aber Gerechtigkeit für jeden wird es niemals geben“, meinte ich traurig. Ich wollte seine Schulter berühren, doch er wich zurück. „Nimm Sema mit.“
    „Wie Ihr wünscht, Pfadfinderin“, entgegnete er düster.
    „Teon.“ Tiefe Trauer erfüllte mich, weil er wieder diese abweisenden Worte benutzte, die mir in unserer Beziehung so fremd waren.
    Er schüttelte den Kopf. „Heute nacht fühle ich mich überhaupt nicht wie ein Mann.“
     
20
     
    Der großen Zahl von Kröten nach zu urteilen, die über den Pflasterpfad hüpften, war der nächtliche Regen warm und mußte schon seit einigen Nächten so warm sein. Doch als ich in der Dämmerung an der Kante des Damms entlangwanderte, fröstelte ich, als sei es Winter. Eine innere Unruhe erfüllte mich. Davor, meine Buße abzuleisten, hatte ich keine Angst; daß ich es tun würde, wurde von Tarana und Chel geradezu als selbstverständlich angesehen, und da ich nun unterwegs zum Tempel war, mußte ich zugeben, daß der Plan meiner Gegner wohldurchdacht war.
    Ein eisiger Schauder ließ mich erneut zittern. Dies war also das Gefühl, das einen ergriff, wenn man im Begriff ist, seinen treuesten Freund zu verraten, um seine eigene Haut zu retten. Die Buße brauchte gar nicht so schlimm auszufallen. Wenn ich den Tempel heimlich betrat, würde niemand von meiner Anwesenheit Notiz nehmen, bis das erniedrigende Ritual vorüber wäre. Nur wenige Hüterinnen und Tarana wären anwesend – bestimmt würde sie mich nicht in einem der öffentlichen Räume empfangen.
    Ich schlich durch Nebenstraßen und drückte mich in den Schatten der Vordächer und ging jedem nächtlichen Spaziergänger aus dem Weg, den ich traf. Fliegende Lebewesen schrien in der Dunkelheit und machten auf mich aufmerksam, und ich stellte mir vor, daß Finger zeigten und Augen hinter mir herstarrten und die Gehirne, die sie steuerten, genau wußten, daß ich im Begriff war, nachzugeben und zu Kreuze zu kriechen. So sehr ich es auch versuchte, so gelang es mir doch nicht, meine Handlungsweise vor mir selbst als positiv darzustellen. Ich schämte mich zutiefst.
    Da unser Tempel nicht über einen Hof verfügte,

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