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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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Heao“, sagte er. „Eure Augen können in der wahren Welt genauso gut sehen wie meine. Die Landkarten führen nun nicht mehr ins Nichts, ins Niemandsland.“
    Ich nickte, wußte ich doch, daß es stimmte.
    Teon richtete sich zu seiner imposanten Größe auf; er biß die Zähne zusammen und reckte das Kinn vor. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Und Euer Volk wird auch kommen.“
    „Teon“, fragte ich, „bist du nur zurückgekommen, um dich zu überzeugen, ob wir das Licht als schlimm genug empfinden, um von hier fernzubleiben? Glaubst du etwa, Chel würde hier mit einem Heer erscheinen?“
    Der Ausdruck seiner Augen verriet mir, daß ich seine Gedanken ausgesprochen hatte, und im hinteren Teil meines Gehirns wußte ich, daß er sich nicht täuschte. Wenn die Expedition erst einmal wieder in die Heimat zurückgekehrt wäre, und die Menschen erführen dort, wie es hier aussah, dann würden sie …
    Plötzlich hatte ich Angst. Ich spürte Teons Nähe hinter mir und hatte noch nicht einmal bemerkt, wie er seine Position gewechselt hatte. Er konnte mich mit seinen großen Händen umbringen, und meine Gefährten würde nacheinander dasselbe Schicksal ereilen. Niemals würden Angehörige meines Volkes in diese Welt des Lichts gelangen, wenn die Expedition nicht zurückkehrte, um ihnen den Weg zu zeigen. Mein Nackenpelz sträubte sich, als ich mich umdrehte, doch Teon packte mich wie ein unartiges Kind, seine kräftigen Finger umschlossen meinen Nacken und meinen Schwanz, und er hielt sich außer Reichweite meiner Krallen und Zähne. Meine Füße traten aus und trafen nur ins Leere. Ich schrie auf.
    „Hört auf, Heao! Ihr sollt euch nicht wehren!“
    Wütend, weil meine Gegenwehr so sinnlos war, erwartete ich den letzten, alles beendenden Schlag. Seine Finger gruben sich in mein Fleisch. „Ich sollte dich töten, weißt du?“ meinte er. Dann hatte ich wieder Boden unter den Füßen, mein Schwanz war wieder frei, und ich drehte mich um, um ihm in die Augen blicken zu können. Nichts Böses lag darin, kein Haß. War so etwas jemals dort gewesen? Hatte ich wirklich soeben noch einen Ausdruck von Angst oder Wut erkannt? Dann verhärteten sich die Augen wieder. Angeekelt schleuderte er mich fort.
    Ich stolperte, floh aber nicht. Er blieb stehen und starrte mich an.
    „Wenn Ihr schon zurückkommen solltet, dann solltet Ihr Euch lieber anschauen, wohin Ihr zurückkehren werdet“, sagte er heftig. „Ich habe eure Götter gefunden.“
    „Was meinst du?“ fragte ich und glättete mit der Hand meinen Nackenpelz.
    „Götter“, wiederholte er. „Es kann niemand sonst sein. Sie fliegen und essen Felsen.“ Dann grinste er höhnisch. „Aber Ihr werdet eine Überraschung erleben, Heao. Die Götter sehen aus wie ich.“

27

    Teon gestattete mir nicht, ins Lager zurückzukehren, obwohl ich ihm versprach, ich würde Baltsar lediglich sagen, ich wolle einen Spaziergang machen. Ich wußte, daß er und Chel sich Sorgen machen würden, wenn ich nicht zur Nacht zurückkehrte, doch daran ließ sich nichts ändern. Ich konnte der Verlockung nicht widerstehen, die Götter zu sehen und vielleicht sogar den Himmel. Und ich konnte auch die Erinnerung an die Geschichten der Sklaven und an ihre Legenden von ihren Vorfahren, die gottähnliche Macht hatten, nicht aus meinem Gehirn verdrängen. Meine Neugier mußte befriedigt werden.
    Teon führte mich über einen hohen und unwegsamen Paß und drang mit mir noch weiter in diese lichte Welt ein. Als er sogar nach Einbruch der Nacht noch weiterwanderte, begriff ich, warum Chels Patrouillen keine Spur von den Sklaven gefunden hatten. Sie hatten die wildesten Berge durchgekämmt und waren dann am Ufer eines schäumenden Flusses entlanggewandert, als sie die andere Seite des Passes erreicht hatten. Während der Nacht wurde die Landschaft von der unheimlich anmutenden Reflexion der Himmelsbrücke beleuchtet, und selbst unter weitaus günstigeren Bedingungen hätte Chel aufgrund seines vollkommenen Unverständnisses entschieden, daß bis hier keiner der unbeholfenen Sklaven vorgedrungen sein konnte. Und Baltsar, der normalerweise nicht so leicht abzuschrecken war, hatte bestimmt beigepflichtet. Teon lachte, als ich mich zu den Gefahren äußerte, die auf dem Weg lauerten.
    „Habt Ihr die Felswände des Fjords vergessen, die ich mit Euch und Baltsar erstiegen habe? Mag sein, daß die Angehörigen meines Volkes langsamer sind als Katzen, steif und unbeholfen sind wir bestimmt

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