Im Schatten des Schloessli
Kollegen.»
« ZSAS : ‹Schweizerische Zentralstelle zur Auswertung von Schusswaffenspuren›. Teil des ‹Forensischen Instituts Zürich›. Zufrieden?»
«Na bitte, geht doch. Und was schicken die uns?»
«Eine Auswertung eben.»
«Jesus Maria», gnatzte Unold entnervt und blickte zur Decke.
«Jetzt fangen Sie bloss nicht auch noch an! Ein Johannes reicht.»
«Allmählich beginne ich Ihre Frau zu verstehen.»
«Nichts verstehen Sie, rein gar nichts!» Geigy starrte auf die Blätter in seiner Hand und begann zu lesen.
Die Minuten verstrichen, ohne dass ein anderer Laut zu hören gewesen wäre als ein leises Rascheln, wenn Geigy einen Papierbogen mit der Schrift nach unten auf den Schreibtisch legte. «Die Spurenlage ist so weit eindeutig», liess er sich endlich vernehmen.
Unold zog die Brauen in die Höhe.
«Sarasin. Er hat zuerst seine Frau und seine Tochter erschossen und dann sich selbst. Fremdeinwirkung ist ausgeschlossen.»
«Das passt zum Ergebnis der Befragung der Passanten und der Gäste des Bistros unmittelbar nachdem die Schüsse gefallen sind. Niemand ausser Sarasin ging in das Haus hinein. Und bis die Polizei kam, kam auch keiner heraus.»
«Scheisse, ich weiss.» Geigy setzte die Thermosflasche an und trank, als sei er am Verdursten. «Gopfriedstutz, in was für einem Land leben wir eigentlich? Muss denn jeder Depp eine Waffe zu Hause haben?»
«Jeder Depp ja nicht gerade. Ich zum Beispiel hab keine.»
«Rund zwei Komma drei Millionen Privatwaffen liegen in den Haushaltungen herum; im Aargau hat angeblich sogar jeder Dritte eine Waffe. Kein Wunder schiessen Herr und Frau Schweizer ständig jemandem die Birne weg. Und jetzt gibt’s tatsächlich ein Projekt zur Erfassung und Verwaltung der Gebäudeeingänge. Auf den Meter genau soll deren Lage festgehalten werden. Digital. Es muss schliesslich alles seine Ordnung haben. Aber eine bessere Vernetzung der kantonalen Waffenregister? Vergessen Sie’s.»
«Ganz offensichtlich haben die Gebäudeeingänge keine so mächtige Lobby wie die Waffen.»
«Ein Trauerspiel ist das. Wer ernsthaft leugnet, dass zwischen der Waffendichte eines Landes und Dramen wie dem vorliegenden ein Zusammenhang besteht, ist schon fast kriminell. Warum hat eigentlich keiner nachgefragt, ob Sarasin eine Waffe besitzt oder Zugang dazu hat? Es müsste doch jemandem aufgefallen sein, in was für einer Verfassung er war. Sie haben es selbst gesagt: Das war keine Kurzschlusshandlung; das war von langer Hand geplant.»
«Wir haben ja auch nichts gemerkt.»
«Wie wenn ich das nicht selbst wüsste, Heilandsack! Übrigens hat Sarasin keine DNA von Morton auf sich gehabt. Weder unter seinen Fingernägeln noch sonst wo. Auch von Fasern keine Spur. Das beweist zwar nicht gänzlich, dass er Morton nicht umgebracht hat, aber … er war’s nicht.»
* * *
«Und Sie bleiben bei Ihrer Aussage, Chris Morton und Stephan Rothpletz nicht getötet zu haben?» Unverwandt starrte Geigy auf Johannes, der ihm und Unold merklich blasser als noch vor zwei Stunden gegenübersass.
«Soll es denn umsonst sein, dass mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche?»
Geigy lachte laut und freudlos. «Entschuldigen Sie, Herr Kägi, aber fromme Sprüche allein sind noch kein Beweis für ein – wie Sie es nennen – unsträfliches Leben. Thomas Sarasin hätte zwar einen Grund dafür gehabt, Chris Morton umzubringen; Stephan Rothpletz hingegen hat er ganz bestimmt nicht auf dem Gewissen. Zum Zeitpunkt von Rothpletz’ Tod lebte Sarasin nämlich längst nicht mehr. Sie hingegen sind munter wie eh und je. Und Sie haben sowohl Morton als auch Rothpletz mit dem Tod bedroht.»
« ER trägt uns auf, unsere Lippen und unsere Zunge vor dem Bösen zu behüten, dass sie nicht Trug reden. Darum behaupte ich nicht, dass ich den Tod von Morton und Rothpletz bedaure, sondern rufe mit freudigem Herzen: Halleluja, das Geschmeiss ist tot. ER kennt den Weg der Gerechten und weiss, dass ich die beiden nicht umgebracht habe. Vielmehr löscht ER , des die Rache ist, die Leuchte der Gottlosen aus. Denn ER wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse.»
«Ach, hören Sie doch auf mit dem Quatsch. Sagen Sie mir lieber, was um Himmelsherrgotts willen Sie gegen Stephan Rothpletz hatten. Was an Chris Morton Ihrer Meinung nach so schändlich war, ist mir klar – auch wenn ich Welten davon entfernt bin, Ihre Ansicht zu teilen. Aber an Rothpletz? ‹Ich weiss genau,
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