Im Schatten des Schloessli
sitzt nach der Befragung wenigstens einer hinter Schloss und Riegel.»
Geigy sah Unold verständnislos an.
«Na ja, den Verdächtigen im Verhör zu beruhigen scheint mir eher kontraproduktiv zu sein. Schliesslich sollte der nicht eingelullt, sondern aus der Reserve gelockt werden. Wenn überhaupt Farbe, dann rot.»
«Oberhäuptling … Idiot», grunzte Geigy und verstummte.
Auf dem Korridor waren Schritte zu hören.
Johannes zeigte keine Regung, als er von zwei Polizeibeamten in den Vernehmungsraum geführt wurde. Geigy nickte den Polizisten zu und bedeutete ihnen, Unold und ihn mit Johannes allein zu lassen. Schnarrend fiel die Tür hinter den Beamten ins Schloss. Geigy wies zur Raummitte, wo sich drei schwarze Kunststoffstühle um einen anthrazitfarbenen Metalltisch drängten. Bis auf die drei Männer, den Tisch, die Stühle, der für die Befragung minimal benötigten technischen Ausrüstung, einem Spiegel, einigen blendend hellen Spots an der Decke, einer wassergefüllten PET -Flasche und einem Stapel kompostierbarer Becher aus stärkebeschichtetem Recyclingkarton war das Zimmer leer. Selbst die obligaten Merksätze, wie sie in den Wandnischen des Bunkers hingen, fehlten.
Johannes schlurfte wortlos zu einem der Stühle und setzte sich.
«So sieht man sich wieder», hob Geigy an. «Wer hätte gedacht, dass der Herr Sie so bald zu uns aufs Polizeikommando führt.»
«O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege!» Johannes sah gelangweilt auf Geigy und Unold, die ihm gegenüber Platz nahmen.
«Ich denke, wir kommen schneller zum Ziel, wenn wir uns für einmal von Mensch zu Mensch unterhalten und den Herrn aussen vor lassen.»
Ein Zucken lief über Johannes’ Gesicht. «Ich bin ein Knecht des Herrn, aber ich bin kein Idiot. Sie haben IHN ins Spiel gebracht, also beklagen Sie sich nicht, wenn auch ich mich an IHN halte.»
«Wo er recht hat», wisperte Unold.
Geigy bedachte Unold mit einem strafenden Blick.
«Nur ruhig, lassen Sie das Pink seine Wirkung tun!» Unolds Worte waren kaum zu hören, doch Geigy entgingen sie nicht. «Herrgott noch mal, halten Sie endlich die Klappe.»
Johannes lächelte spöttisch. «Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden; ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht.»
«Ja, ja, schon gut. Ich bin nicht hier, um mich mit Ihnen über die Säuberung des Polizeikommandos zu unterhalten», sagte Geigy unwirsch. «Vielleicht ist Ihnen der Ernst der Lage nicht bewusst: Sie stehen unter dem dringenden Verdacht, Chris Morton und Stephan Rothpletz aufs Übelste beschimpft und mit dem Tod bedroht zu haben.»
Johannes gähnte.
«In Anbetracht dessen, dass beide Männer in den letzten Tagen ermordet worden sind, stecken Sie ziemlich tief in der Scheisse.»
Zum ersten Mal, seit er in den Vernehmungsraum geführt worden war, flackerte so etwas wie Interesse in Johannes’ Augen auf. Interesse, gepaart mit Angst. «Gott ist mein Herr, und ich bin sein Werkzeug. Doch in die Hölle gefahren sind die Hurensöhne nicht durch meine Hand.»
«Falls doch, werden wir es bald herausfinden. Die Briefe jedenfalls, die wir bei Morton und Rothpletz gefunden haben, stammen von Ihnen. Daran besteht kein Zweifel.»
Johannes schwieg.
«Wollen Sie nicht wissen, warum wir uns da so sicher sind?»
«Denn es gibt viele zügellose Schwätzer und Betrüger, Sie werden es mir also gleich verraten.»
«Darauf können Sie wetten. Doch zuerst muss ich Ihnen diesen Wisch vorlesen.» Geigy schwenkte zwei bedruckte DIN - A4 -Blätter vor Johannes’ Gesicht hin und her. «Sie wären nicht der Erste, der eine Einvernahme nachträglich zu torpedieren versucht, indem er behauptet, wir hätten ihn nicht umfassend über seine Rechte und Pflichten belehrt.»
«Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich», erwiderte Johannes.
Geigy seufzte. «Das bewundere ich an den Zeugen Jehovas: Die sind nie um eine Antwort verlegen, haben immer einen passenden Bibelvers parat.»
«Mehr oder weniger passend», relativierte Unold, «oder behaupten Sie ernsthaft, dass Sie Ihren Job hassen?»
«Herr Kägi bezog seine Aussage ganz gewiss auf sich und wollte damit sagen, dass er jetzt dann gleich eine Aussage machen wird, wenn auch nicht freiwillig.»
«Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden und schütze mich vor meinen Widersachern. Errette mich vor den Übeltätern und hilf mir vor den
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