Im Schatten des Teebaums - Roman
»Mit Angus hat man manchmal kein leichtes Spiel. Wenn ihr irgendetwas zustößt, ist es meine Schuld.« Brodie war besorgt, der Hengst könnte Eliza abgeworfen haben, sodass sie nun verletzt und hilflos irgendwo lag.
»Eliza hat Ihnen doch gesagt, dass sie mit Pferden aufgewachsen ist. Und nach dem, was ich beobachtet habe, scheint Angus nicht allzu launisch zu sein. Ich bin sicher, sie hat ihn im Griff.« Tilly war überzeugt, dass mit Eliza alles in Ordnung war und dass sie bald zurück sein würde. Frühestens in einer Stunde würde man sich Sorgen machen müssen. Wenn Eliza bis dahin nicht zurückgekehrt war, beschloss Tilly, würde sie Brodie bitten, Nell zu satteln und nach ihr zu suchen.
»Ich schaue mal nach, ob ich sie die Straße heraufkommen sehe«, sagte Brodie und ging zur Auffahrt.
Tilly war verblüfft von der Heftigkeit seiner Reaktion, zugleich aber auch ein wenig erheitert. Offenbar lag ihm doch mehr an Eliza, als sie geglaubt hatte.
Draußen auf der Straße starrte Brodie in die Ferne und suchte nach irgendwelchen Anzeichen von Bewegung. Es war Spätnachmittag, bald würde die Dunkelheit hereinbrechen. Brodies Besorgnis nahm zu.
Als er gerade beschloss aufzugeben und sich auf die Suche zu machen, sah er seinen Hengst Angus, auf dessen Rücken Eliza saß. Neben Eliza konnte er auch Noah auf seinem Esel ausmachen.
In der Hoffnung, dass sie ihn nicht gesehen hatten, ging Brodie über die Auffahrt zur Stallkoppel und machte sich daran, Pferdemist zu schaufeln. Tilly beobachtete ihn vom Fenster aus. Sie konnte an seinem Verhalten ablesen, dass die Sorgen von ihm abgefallen waren; deshalb war sie nicht überrascht, als sie wenige Minuten später das Klappern von Hufen in der Auffahrt hörte. Sie trat auf die Veranda hinaus und sah Eliza und Noah, die ihre Tiere versorgten.
»Ich bin froh, dass Sie wieder da sind«, rief Tilly Noah zu.
Noah kam mit beschämter Miene zu ihr. »Es tut mir leid, dass ich Sie in Verdacht hatte, mich verraten zu haben, Miss Sheehan. Sie sind eine gute Frau, und Sie sind immer freundlich zu mir gewesen.«
»Sie hatten jedes Recht, wütend auf mich zu sein, Noah«, erwiderte Tilly. »Hätte ich nicht mit Eliza über Ihren Vater gesprochen, hätte Alistair McBride mich nicht belauscht, und nichts von alledem wäre passiert.«
Noah blickte sie aus dunklen, traurigen Augen an. »Die Burschen behaupten auch so, dass ich ihre Schafe gestohlen habe, Miss Sheehan. Die brauchen keinen Grund. Das wissen wir beide«, sagte er.
»Kommen Sie erst mal herein, Noah. Sie werden bei uns bleiben, bis dieses Durcheinander geklärt ist. Wenn irgendjemand fragt – wir haben Sie nicht gesehen.« Tilly wandte sich an Eliza, die neben Noah stand. »W as ist mit Katie? Sie hat Alistair McBride sehr gern. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass sie dem Kerl verrät, dass Noah hier ist.« Tilly konnte nur hoffen, dass Eliza nicht beleidigt war.
Eliza warf einen Blick auf Noah, der plötzlich wieder verängstigt aussah. »Du hast recht, Tante«, sagte sie.
»Ich werde Katie bitten müssen zu gehen«, sagte Tilly, erleichtert darüber, dass Eliza sie verstand.
»Ja, das stimmt. Sag Katie, dass ihr Zimmer ab morgen reserviert ist. Sie wollte sowieso bald nach Hause. Aber wo bringen wir Noah heute Nacht unter?«
Die Frage hatte Tilly bereits mit Brodie erörtert. Sie hatten beschlossen, Noah auf dem Speicher zu verstecken, wo ein überzähliges Gästebett stand. Es musste nur abgestaubt und mit Laken und Bettzeug hergerichtet werden.
»Es ist nur für diese Nacht, Noah«, entschuldigte sich Tilly. »Danach können Sie Katies Zimmer haben.«
»Ich bin für alles dankbar, Miss Sheehan. Ich wüsste sonst nicht, wohin ich sollte.« Noah sorgte sich um sein Zuhause. Ob es inzwischen niedergebrannt worden war?
»Ich bin froh, dass Sie so vernünftig waren, hierherzukommen, Noah«, zeigte sich jetzt auch Brodie besorgt.
Noah wurde verlegen.
»Und ich glaube nicht, dass Sie an dem Schafdiebstahl schuld sind«, versicherte ihm Brodie. »Deshalb sollten Sie eine Zeitlang hier unterschlüpfen, bis der wahre Dieb gefasst ist.«
Noah warf einen Blick auf Eliza und nickte.
»Ich bringe den Esel im Stall unter, damit man ihn nicht sieht«, sagte Brodie.
»Gute Idee«, rief Tilly, während sie Noah ins Haus führte. »Kommen Sie, Noah, ich zeig Ihnen, wo die Treppe zum Speicher ist. Wenn Katie nicht da ist, sind Sie auch unten bei uns in Sicherheit, aber sobald sie kommt, sollten Sie sich besser
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