Im Schatten des Teebaums - Roman
verdient hatte. Beinahe hätte sie applaudiert.
Eliza war verwirrt. Dass Brodie ihre Ehre so leidenschaftlich verteidigte! Katie indes fühlte sich zutiefst gedemütigt und brach in Tränen aus. Fast den ganzen Nachmittag hatte sie ihr Bestes versucht, um bei dem hübschen Mr. McBride einen guten Eindruck zu erwecken. »Sie Bestie!«, sagte sie zu Brodie. »Sie sind nicht besser als die Tiere, die Sie jagen!«
»Mr. McBride hat genau das bekommen, was er verdient hat, mein liebes Mädchen«, sagte Tilly. »Er ist unhöflich, widerwärtig und das schlimmste Exemplar eines Zeitungsschmierers. Und was dich betrifft, so kannst du morgen früh abreisen.« Tilly wusste, dass sie grob war, aber sie konnte nicht anders. Wenn sie Katie nur anschaute, sah sie ihre Schwester Henrietta. »Jemand anders hat für morgen Nacht dein Zimmer reserviert«, fügte sie hinzu. Es kam ihr nicht einmal wie eine Lüge vor; schließlich würde Noah Katies Zimmer bekommen, und in Tillys Augen hatte er es mehr verdient als sie.
Katie ballte die Hände zu Fäusten. Ein erstickter Laut drang aus ihrer Kehle, ehe sie herumwirbelte und zu ihrem Zimmer stürmte. Es war derselbe Laut, den Henrietta immer ausgestoßen hatte, wenn sie ihren Willen nicht bekommen hatte – was Tilly nur in ihrer Überzeugung bestärkte: Das Mädchen war genau wie seine Mutter, und das konnte für Eliza nur Ärger bedeuten.
Eliza warf einen Blick durch die Hintertür. Alistair hatte sich aufgerappelt und staubte sich Hose und Jacke ab. Brodie band derweil Nell hinten von Alistairs Buggy los. Eliza wandte sich um und folgte ihrer Schwester zu deren Zimmer. Katie stopfte hastig ihre Kleider in einen kleinen Koffer, der auf dem Bett stand.
Als Katie ihre Schwester sah, wandte sie sich wütend zu ihr um. »W ie kann diese … diese Frau mich zum Gehen auffordern? Und wie konnte sie Alistair so unhöflich behandeln? Kein Wunder, dass Mom sie nicht leiden kann.« Sie raffte hastig ihre restlichen Habseligkeiten zusammen.
»W ohin willst du?«, fragte Eliza, ohne auf die gehässigen Bemerkungen einzugehen. »Du kannst diese Nacht hier im Hanging Rocks Inn bleiben. Nach Einbruch der Dunkelheit fahren sicher keine Züge mehr.«
»Ich werde nicht eine Minute länger mit Tilly Sheehan unter einem Dach bleiben!«, fauchte Katie, deren Miene eine Mischung aus Wut und Verletztheit verriet. »Diese Frau soll unsere Tante sein? Sie hat mich rausgeworfen!«
»Sie war freundlich genug, dich bei sich aufzunehmen, obwohl du völlig unerwartet gekommen bist. Und es ist nicht ihre Schuld, dass dein Zimmer bereits reserviert war«, nahm Eliza ihre Tante in Schutz.
»Nicht ihre Schuld? Sie hätte Brodie bitten können, dass er geht! Hat er nicht ein Zimmer im Hotel, das auf ihn wartet? Ich bin doch angeblich eine Verwandte.« Katie warf noch ein paar Sachen in ihren Koffer und knallte ihn zu. »Ich sehe doch, dass sie mich nicht mag! Und ich glaube, ich mag sie auch nicht …« Katie drängte sich an Eliza vorbei.
»W ohin willst du?«, fragte Eliza noch einmal, während sie ihrer Schwester zur Haustür folgte. »Du kommst nicht mehr hier weg heute!«
»Dann bleibe ich irgendwo in der Stadt!«, rief Katie. »Es ist mir egal – und wenn ich auf einer Parkbank schlafen muss!« Sie sah Alistar, der eben seinen Buggy in Richtung Auffahrt lenkte. »Alistair! Warten Sie auf mich«, rief sie. Ohne sich noch einmal umzuwenden, rannte sie auf den Buggy zu und warf ihren Koffer hinauf. Alistair nahm ihre Hand und half ihr hoch, sodass sie sich neben ihn setzen konnte. Dann fuhren sie davon.
Fassungslos sah Eliza dem Buggy nach, der die Straße hinunter verschwand. Sie hörte kaum die Schritte hinter sich.
»Kann Noah jetzt gefahrlos herunterkommen?«, fragte Tilly.
»Ja, Tante. Ich glaube nicht, dass meine Schwester noch einmal zurückkommt.«
Tilly nahm die Stange aus dem Schrank, zog die Treppe herunter und rief nach Noah, der zögernd die Falltür öffnete.
In der Küche stieß Eliza auf Brodie, der eben wieder zur Hintertür hereinkam. »Ich kann nicht glauben, was Sie mit Alistair gemacht haben«, sagte Eliza.
»Er wollte es nicht anders.« Brodie zuckte die Achseln. »Er hat sich im Ton vergriffen, und das kann ich nun mal nicht ausstehen.«
Brodie und Eliza schauten sich ein paar Augenblicke gebannt an. Eliza wusste nicht, was sie davon halten sollte, dass Brodie Alistair verprügelt hatte. Und Brodie selbst konnte kaum glauben, dass Alistairs abfällige Bemerkungen über Eliza
Weitere Kostenlose Bücher