Im Schatten des Teebaums - Roman
sogar; er hatte die Kämpfernatur und die robuste Konstitution von seinem schottischen Vater, Duncan McBride, geerbt. Seine Mutter stammte aus den englischen Midlands, wo sie wegen des Smogs oft krank gewesen war. Als Alistair zehn war, wanderte die Familie von England nach Südaustralien aus. Seine Mutter bestand darauf, auf dem Land zu leben, doch sie hatten kein Geld, um sich ein Stück Acker oder Farmland zu kaufen. Außerdem musste Alistairs Vater einsehen, dass es für einen Mann, der nichts von der Landwirtschaft verstand, kaum möglich war, Arbeit als Farmhelfer zu finden. In seinem verzweifelten Bemühen, die Familie durchzubringen, begann Duncan, in den Boxzelten zu kämpfen, die von Stadt zu Stadt zogen. Dank seiner stämmigen Statur und seines hitzigen Temperaments wurde er bald zum unumstrittenen Champion des Südostens, und das Preisgeld reichte aus, um die Familie zu ernähren und die Miete für ein Cottage zu bezahlen.
Doch Alistair war alles andere als stolz auf die Leistungen seines Vaters, er schämte sich sogar für ihn. Wie seine Mutter war er der Ansicht, dass Kämpfen nichts für einen Gentleman war. Es verschaffte Alistair weitaus mehr Befriedigung, seine Gefechte mit Worten auszutragen, auch wenn er dabei ironischerweise oft eine Faust ins Gesicht bekam, wie sich heute wieder einmal gezeigt hatte. Katie wiederum konnte nicht glauben, dass ihre Tante ihr den Laufpass gegeben hatte, doch sie war zu verlegen, um es Alistair zu sagen.
»Sie hätten das Hanging Rocks Inn nicht meinetwegen verlassen sollen«, sagte Alistair geschmeichelt.
»Ich konnte dort nicht länger bleiben, nachdem meine Schwester und meine Tante Sie so mies behandelt haben«, sagte Katie und versuchte, sich ihr Gefühl der Demütigung nicht anmerken zu lassen, dass sie aus dem Hanging Rocks Inn geworfen worden war. »Es tut mir leid, Alistair. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Eltern bessere Umgangsformen haben. Sie wären beschämt, wenn sie wüssten, dass Eliza Sie beschuldigt hat, Sie hätten sie belauscht und würden die Wahrheit verdrehen. Auch wenn ich diesen Noah nicht kenne, so weiß ich doch, dass Sie ein Mann sind, der zu seinem Wort steht, und dass Sie nur Ihre Arbeit tun.«
»Ich will nicht, dass es Ihretwegen böses Blut zwischen Ihrer Schwester und Ihren Eltern gibt«, sagte Alistair mit einem Anflug von Erhabenheit. Tatsächlich würde er sich diebisch darüber freuen, Ärger zwischen Eliza und ihrer Familie zu schüren, und je mehr Katies Herz für ihn entflammte, desto leichter würde er sie in seinem Sinne beeinflussen können.
»Ich bin mir nicht sicher«, gab Katie wahrheitsgemäß zurück. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihren Eltern sagen sollte. Ein Teil von ihr wollte, dass Eliza Ärger bekam; ein anderer Teil jedoch stand zu ihrer Schwester. Sie hatte ja auch selbst im Hanging Rocks Inn bei Tilly gewohnt, der Frau, die ihre Mutter verabscheute.
»Ich nehme an, Sie wollten den nächsten Zug nach Hause nehmen«, riss Alistair sie aus ihren Gedanken. »Aber ich glaube, Sie haben den letzten verpasst.«
»Das hat Eliza auch gesagt, als ich zur Tür hinausging. Ich fürchte, ich habe nicht gründlich durchdacht, was ich tue«, räumte Katie zerknirscht ein.
»Ich könnte Sie ja mit dem Buggy nach Hause fahren, aber das will ich eigentlich nicht. Ich will nicht, dass Sie gehen«, sagte Alistair, wobei er so tat, als wäre er betrübt.
»W irklich, Alistair?«, fragte Katie eifrig.
»Natürlich. Ich habe mich sehr gefreut, Sie kennen zu lernen. Ich hoffe, Sie empfinden genauso.«
Katie errötete vor Freude. »O ja, und ich wünschte, ich müsste noch nicht nach Mount Gambier zurück, aber mir bleibt keine Wahl. Ich habe keine andere Unterkunft.«
»Sie könnten im Hotel wohnen. Brodies Zimmer steht noch immer zur Verfügung, zumindest war es heute Morgen noch so«, sagte Alistair. »Ich weiß, das Railway Hotel ist nicht der ideale Ort für eine junge Frau Ihres Standes. Ich schlage es auch nur deshalb vor, weil ich gern möchte, dass Sie noch länger in der Stadt bleiben.«
Katies Miene hellte sich auf. Konnte sie es wagen? Ihre Eltern würden es vermutlich nicht billigen – andererseits würden sie es auch nicht gutheißen, dass sie davongelaufen war oder bei Tante Tilly gewohnt hatte. Außerdem, wie sollten sie je davon erfahren, wenn Eliza es ihnen nicht sagte? »Ich nehme an, für eine Nacht könnte ich bleiben«, sagte Katie. Der Gedanke, ein paar schöne Stunden mit Alistair zu
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