Im Schatten des Teebaums - Roman
verbringen, war allzu verlockend, um es sich entgehen zu lassen.
»W enn Sie in die Stadt wollen, werde ich Sie begleiten«, sagte Brodie zu Eliza.
»Das wird nicht nötig sein«, erwiderte sie.
»Ich finde, Brodie sollte dich begleiten«, sagte Tilly. »Es ist schon dunkel. Außerdem traue ich diesem McBride nicht über den Weg.«
»Er kann mir nichts tun, Tante.«
»W er weiß schon, was er für Ärger machen kann. Wir haben doch selbst gesehen, dass man ihm nicht trauen kann.«
»Ich habe Fred Cameron heute in der Stadt gesehen und ihm versprochen, mir etwas Seltsames anzuschauen, das er auf seinem Land gefunden hat. Das heißt, ich muss sowieso nach Tantanoola«, fügte Brodie hinzu.
»Na schön«, sagte Eliza. »Hat Mr. Cameron gesagt, was genau Sie sich bei ihm ansehen sollen?«
»Ich glaube, irgendwelche frischen Überreste eines Tieres. Er meint, der Tiger sei dafür verantwortlich.«
»Oh«, sagte Eliza. »Aber Mr. Cameron wohnt doch auf der anderen Seite der Stadt.«
»Ja«, sagte Brodie, während er sich fragte, worüber sie wohl nachdachte.
»Dann kann das Tier, auf das Sie geschossen haben, nicht der Tiger gewesen sein«, sagte Eliza, die in Gedanken bei dem Wolf war.
»Ich will noch keine Vermutungen anstellen«, erwiderte Brodie.
Brodie nahm sich eine Laterne, um Angus und Nell zu satteln. Es war noch nicht lange her, dass er die Stute abgesattelt, zu Angus in den Stall geführt und ihr etwas zu fressen gegeben hatte. Tilly nahm sich ebenfalls eine Laterne, um die Ziegen in den Stall zu sperren und dafür zu sorgen, dass die Hennen für die Nacht sicher in ihrem Verschlag waren.
Als Tilly und Brodie aus dem Haus waren, nutzte Eliza die Gelegenheit, unter vier Augen mit Noah zu sprechen.
»W enn ich heute Abend zurückkomme und meine Tante und Brodie schon schlafen, werden wir beide nach dem Wolf sehen und ihm etwas zu fressen bringen, ja?«, schlug sie vor.
Noah war aufgeregt angesichts der Aussicht, den Wolf wiederzusehen, aber nachdem Tilly so freundlich gewesen war, ihn im Hanging Rocks Inn aufzunehmen, widerstrebte es ihm, etwas hinter ihrem Rücken zu tun. »Ich würde den Wolf sehr gern wiedersehen, aber ich will Miss Sheehan nicht beunruhigen«, sagte er.
»Ich auch nicht, Noah, aber Tante Tilly würde es verstehen, wenn sie es wüsste. Ich verschweige es ihr nur, damit sie sich keine unnötigen Sorgen macht.«
Das konnte Noah verstehen. »Aber wir haben kein Fleisch, das wir dem Wolf geben könnten«, sagte er.
»Das stimmt. Und ich glaube nicht, dass ihm auf längere Sicht ein paar Stück altbackenes Brot jeden Tag genügen.« Eliza dachte nach. »V ielleicht könnte ich in der Stadt ein bisschen Fleisch besorgen. Das Geschäft wird schon geschlossen sein, aber möglicherweise bekomme ich von Mary Corcoran noch was. Ich könnte zu ihr sagen, das Fleisch sei für mich … dass ich es allmählich satt habe, immer nur Gemüse zu essen. Aber ich habe nicht viel Geld.«
»Es tut mir leid, ich hab auch keins«, sagte Noah. »Bei mir zu Hause liegt ein bisschen, aber ich bin überstürzt aufgebrochen.« Noah war noch immer besorgt wegen seines Hauses – falls er überhaupt noch eins hatte. Er machte sich um seine Gemälde Sorgen. Schaudernd dachte er darüber nach, wie knapp er möglicherweise einem Lynchmord entgangen war.
»Ich werde nach Ihrem Haus sehen, wenn ich in der Stadt bin«, sagte Eliza mitfühlend. »Mal schauen, was ich herausfinden kann. Ich werde vorsichtig sein. Machen Sie sich keine Sorgen.«
Doch Noah wusste, dass er sich sehr wohl Sorgen machen würde. Eliza erwies sich allmählich als gute Freundin, genau wie Tilly. Wenn den beiden seinetwegen etwas zustoßen sollte, würde er es sich niemals verzeihen.
19
Als Eliza sich auf den Weg hinaus machte, hörte sie draußen einen Tumult. Sie und Noah eilten auf die Veranda hinter dem Haus. Sie sahen, wie Noahs Esel bockend und um sich tretend aus dem Stall gerannt kam. Brodie hatte Nell und Angus auf den Hof geführt, um sie zu satteln, doch der Ausbruch des Esels versetzte die beiden Pferde in Aufregung. Erhellt wurde die Szene von Tillys Laternen. Die Ziegen folgten dem Esel in gemächlichem Tempo aus dem Stall, mit seltsam verwirrten Mienen angesichts des Aufruhrs. Nell schien das alles gelassen hinzunehmen, doch Angus war sichtlich unruhig. Er warf den Kopf zurück, tänzelte und wieherte.
Brodie warf dem Hengst in genau dem Augenblick einen Strick um den Hals, als
Weitere Kostenlose Bücher