Im Schatten des Teebaums - Roman
eine solch leidenschaftliche Reaktion bei ihm ausgelöst hatten. Keiner der beiden wollte zugeben, dass seine Reaktion mehr als bloß Galanterie gewesen war.
»Ich bin begeistert, Brodie, dass Sie diesem Kerl eine heruntergehauen haben«, sagte Tilly, die in diesem Augenblick fröhlich die Küche betrat. »W äre ich ein Mann, hätte ich dasselbe getan. Er ist ein aufgeblasener kleiner Emporkömmling, der dringend einen Dämpfer gebraucht hat. Gut gemacht, Brodie.«
»Zweifellos wird jetzt die ganze Stadt erfahren, was hier passiert ist«, sagte Eliza, »und Alistair wird der Geschichte seinen eigenen Anstrich geben.«
»Ich bin nur besorgt, dass deine Mutter von dieser Sache erfahren könnte«, sagte Tilly.
»W ieso?«, fragte Brodie verwundert.
»Ich habe meinen Eltern versprochen, mich von meiner Tante fernzuhalten, solange ich in der Stadt bin«, antwortete Eliza wahrheitsgemäß.
Brodie verstand nicht, warum Elizas Eltern etwas dagegen haben sollten, dass sie ihre Tante sah, doch er hielt es für besser, nicht nach einer Erklärung zu fragen. Ihre Familienangelegenheiten gingen ihn nichts an.
»Ich mache mir Sorgen um Katie«, sagte Eliza.
Tilly wusste, was in ihr vorging. »Ich bin sicher, Katie wird nichts zustoßen.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass sie sofort abreist«, räumte Eliza ein. »W enigstens wird Noah jetzt in Sicherheit sein.«
Noah war eben in die Küche gekommen. An seiner Miene war deutlich abzulesen, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Es stimmte ihn traurig, dass Tilly sich mit ihrer eigenen Familie gestritten hatte, um ihn in Schutz zu nehmen. Die Familie war wichtig.
»Ich mache mir darüber Sorgen, wo Katie die Nacht verbringt«, gab Eliza zu.
»V ielleicht bringt dieser McBride sie ja nach Hause«, sagte Tilly, der es schwerfiel, einen neutralen Tonfall beizubehalten. »Nur fürchte ich jetzt, dass Katie deinen Eltern erzählen wird, dass du bei mir bist. Ich weiß, du hast noch nicht die Story, die du willst, aber vielleicht wäre es klug, wenn du morgen früh ebenfalls abreist.«
Eliza erschrak. »Aber ich will nicht fort, Tante. Es ist schön für mich, die Zeit hier mit dir zu verbringen. Wir sind doch gerade erst dabei, uns kennen zu lernen.«
»Ich weiß. Aber ich will nicht der Anlass für böses Blut zwischen dir und deinen Eltern sein.«
»Das lass nur meine Sorge sein, Tante«, sagte Eliza; dann durchfuhr sie ein erschreckender Gedanke. »Meinst du, dass Katie die Nacht mit Alistair verbringt?«
»Nein«, beruhigte Tilly ihre Nichte. »Gewiss nicht.«
»Mein Zimmer im Hotel steht noch immer zur Verfügung«, sagte Brodie. »Das wird sie vermutlich nehmen.«
»Da könnten Sie recht haben«, sagte Eliza. »Ich werde heute noch in die Stadt fahren, um nachzusehen, was los ist. Wenn Katie dort ist, rede ich mit ihr. Vielleicht kann ich sie ja überzeugen, nichts zu Mom und Dad zu sagen. Einen Versuch ist es allemal wert, nicht wahr?«
Tilly nickte. »Das alles tut mir leid, Eliza«, fügte sie hinzu. »V ielleicht hätte ich vor Alistair McBride den Mund halten sollen.«
»Es ist nicht deine Schuld, Tante Tilly. Du bist seit Jahren mit Noah befreundet, da liegt es doch auf der Hand, dass du ihn in Schutz nimmst.« Eliza dachte auf einmal an ihren Vater. Es war offensichtlich seine Schuld, dass ihre Mutter und ihre Tante sich entzweit hatten. Eliza konnte nicht glauben, dass seine Herzlosigkeit so viel Leid verursacht hatte, und sie fragte sich, ob er wirklich der Mann war, für den sie ihn immer gehalten hatte.
Sie warf einen Blick auf Noah. »Machen Sie sich bloß keine Vorwürfe«, sagte sie. »Es ist Alistair McBrides Schuld, dass die Stadt sich gegen Sie gewandt hat. Meine Schwester ist zu naiv, um zu erkennen, was für ein gerissener Halunke Alistair ist. Es geschieht ihr recht, wenn ihr eine Lektion erteilt wird.«
»Ich kann nicht glauben, dass Brodie Chandler Sie geschlagen hat, Alistair«, sagte Katie. »W as für ein brutaler Kerl!«
Alistair lächelte still vor sich hin und rieb sich den Kiefer, während er sich sagte, dass es sich letztendlich vielleicht doch gelohnt hatte.
»Geht es Ihnen auch wirklich gut?«, fragte Katie besorgt. Es war ein kräftiger Faustschlag gewesen. Alistair war durch die Hintertür geflogen wie ein Blatt Papier im Wind. Verglichen mit Brodie war er ein schmächtiges Kerlchen.
»Ja, Katie, es geht mir gut. Keine Angst«, sagte er, um ein Lächeln bemüht. »Ich habe einen Kiefer aus Eisen.« Das stimmte
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