Im Schatten des Teebaums - Roman
er dem Esel den Rücken zuwandte, um nach ihm auszuschlagen.
»W as ist denn hier passiert, Tilly?«, rief Eliza ihrer Tante zu.
»Noahs Esel mag die Ziegen nicht«, antwortete Tilly, während sie beobachtete, wie Brodie halbwegs erfolgreich versuchte, seinen Hengst zu beruhigen. Nell schien das Geschehen mit amüsiertem Interesse zu beobachten. In respektvollem Abstand verharrte sie auf der anderen Seite des Hofs.
Tilly stellte ihre Laterne ab. »Jetzt haben wir ein Problem«, sagte sie. »W ir müssen Noahs Esel verstecken, aber wir können die Ziegen nachts in ihrem Gehege nicht sich selbst überlassen, weil der Tiger sie wieder angreifen könnte.«
Bei dem Gedanken, Tilly könnte vorschlagen, den Esel in den Höhlen unterzubringen, stieg Furcht in Eliza auf. »W as können wir denn tun, Tante?«, fragte sie.
Tilly dachte angestrengt nach, doch auf Anhieb fiel ihr keine Lösung ein.
»Ich könnte versuchen, einen Teil der Ställe abzutrennen, wenn ich aus der Stadt zurückkomme«, schlug Brodie vor. »Liegt hier vielleicht irgendwo Bauholz herum, Matilda?«
»Ja, neben der Vorratskammer. Der Vorbesitzer hat gern geschreinert, deshalb habe ich eine ganze Menge zugeschnittenes Holz auf dem Grundstück gefunden. Aber Sie müssen damit bis zum Morgen warten, Brodie. Heute Nacht werde ich die Ziegen noch einmal im Wäscheraum unterbringen.« Sie verdrehte die Augen bei dem Gedanken an das Chaos, das sie am nächsten Morgen erwarten würde.
»Ich sollte Angus lieber nicht reiten, bis er sich beruhigt hat«, sagte Brodie. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Nell für die Fahrt in die Stadt vor den Wagen spanne?«
»Überhaupt nicht«, sagte Tilly.
Brodie schaute Eliza an. »W erden Sie in ein paar Minuten so weit sein, dass wir loskönnen?«
»Ja, ich bin fertig«, antwortete Eliza. Sie überlegte bereits, was sie zu Katie sagen würde, falls diese noch immer in Tantanoola war.
»Sie müssen sich ja ziemlich sicher sein, dass Ihre Schwester die Stadt nicht verlassen hat, wenn Sie den Weg heute Abend noch auf sich nehmen«, sagte Brodie, nachdem sie aufgebrochen waren.
Eliza zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. Ob Sie ’ s glauben oder nicht, ehe meine Schwester nach Tantanoola kam, war sie stets berechenbar. Ich war immer die Impulsive in der Familie – diejenige, die sich den Ärger eingehandelt hat.«
Brodie warf einen Blick auf sie. »Das glaube ich gern«, sagte er. Seine Miene verriet Belustigung.
Eliza wusste nicht, ob sie gekränkt sein sollte oder nicht. »Das dachte ich mir«, sagte sie.
»Es spricht nichts dagegen, ein bisschen spontan zu sein«, fuhr Brodie fort. Er bemerkte ihren verwunderten Blick. »Solange man dabei niemanden in Gefahr bringt, heißt das.« Er dachte an die Tigergrube, und Eliza wusste es.
»Man kann schlecht spontan sein, wenn man vorher alles gründlich durchdenkt und sich jede Einzelheit durch den Kopf gehen lässt«, entgegnete sie und spürte, wie sie errötete.
Brodie fand, dass sie recht hatte, wollte es aber nicht zugeben.
»Sie könnten selbst ruhig ein bisschen impulsiver sein, wissen Sie«, platzte Eliza hervor.
»W as meinen Sie damit?«
»Sie sind immer so beherrscht. Verlieren Sie denn nie die Kontrolle?«, fragte sie herausfordernd.
»Die Kontrolle?« Brodie runzelte die Stirn.
»Ja«, gab Eliza zu. »Ich habe Sie noch nie lachen hören. Haben Sie denn niemals Ihren Spaß?«
»Natürlich, aber das Jagen ist ein ernstes Geschäft.«
»Das mag ja sein, aber Sie müssen doch sicher nicht rund um die Uhr ernst sein, oder?«
»Ich werde mich erst entspannen, wenn ich diesen Job erledigt habe«, sagte Brodie entschieden.
»Da haben wir ’ s schon wieder – Sie werden ernst«, sagte Eliza und betrachtete ihn einen Augenblick nachdenklich.
Brodie spürte, dass sie ihn musterte, und wandte sich ihr zu. »Geht Ihnen etwas Bestimmtes durch den Kopf?«
»Ich habe nur versucht, Sie mir vorzustellen, wie Sie mit einer Freundin zusammen sind oder sich ausnahmsweise mal amüsieren. Gab es in Ihrem Leben schon mal eine Frau, die Ihnen etwas bedeutet hat?« Eliza wunderte sich über ihren Mut, aber sie wollte es wirklich zu gern wissen.
Brodie war überrumpelt, dass sie so unvermittelt fragte, und zögerte mit seiner Antwort. »Nein, eigentlich nicht. Ich bin mit ein paar Frauen ausgegangen, aber es ist nie etwas daraus geworden.« Er heftete den Blick fest auf die Straße, die vor ihnen lag.
»Das wundert mich
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