Im Schatten des Teebaums - Roman
Plötzlich kam ihr eine Idee. »W ir … wir sind auf der Flucht vor der Armee der Nordstaaten«, stammelte sie verzweifelt. »Können Sie uns helfen, Sir?«
Mallorys Augen weiteten sich, und Brodie blickte fassungslos drein. Wovon in aller Welt redete sie?
»W usst ich ’ s doch, dass die sich hier herumtreiben«, murmelte Mallory, ließ sich auf ein Knie fallen und suchte das Gebüsch um sie herum mit Blicken ab. »W o seid ihr her?«, flüsterte er, ohne den Blick von den Sträuchern zu nehmen.
»North Carolina. Wir wollen nach Hause, Sir«, sagte Eliza.
»Ich hab diese Fallen für die Yankees aufgestellt.« Mallory richtete den Blick auf Eliza, und sie glaubte, Misstrauen in den kalten Tiefen seiner Augen zu erkennen.
»Siebzehn Schiffe der Nordstaaten haben kürzlich New Orleans erobert, Sir«, sagte Eliza. Die Situation war so absurd, dass sie es kaum glauben konnte, aber sie hatte nichts zu verlieren und spielte die Scharade weiter.
Mallorys Augen weiteten sich. »W as ist mit General Lee?«
»Er … er kämpft in Cashtown, westlich von Gettysburg.«
»Gott stehe ihm bei«, murmelte Mallory.
»Können Sie meinem Freund helfen, Sir?«, sagte Eliza, um Mallorys Gedanken zurück in die Gegenwart zu lenken.
»Ja, wir müssen ihn ins Haus schaffen, bevor wir von den Heckenschützen der Yankees geschnappt werden«, sagte Mallory.
»Ins Haus? Nein, wir werden von hier verschwinden«, sagte Eliza. »W ir wollen nicht, dass Sie auch noch Ärger wegen uns bekommen. Wenn Sie nur rasch diese Falle von seinem Bein entfernen könnten …«
»Ihr kommt hier nicht weg. Wir sind von Yankees umzingelt. Das habt ihr doch selbst gesagt.« Mallory machte sich daran, die Falle aufzustemmen, und Brodie zog nach Luft schnappend sein Bein heraus. Die Erleichterung war überwältigend. Im gleichen Augenblick wurde er von Mallory hochgerissen, dessen Kraft gewaltig war. Er warf sich Brodies Arm über die Schulter und schleppte ihn zum Haus. Brodie wollte protestieren, war aber zu schwach. Ihm war schwindelig, sodass er all seine Willenskraft aufbieten musste, nur um sich auf den Beinen zu halten.
Eliza und Brodie wurden durch die Vordertür ins Haus geführt, in dem es erschreckend düster war. Mallory schloss die Tür hinter ihnen ab und steckte den Schlüssel ein. Sobald ihre Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, konnten sie erkennen, dass die Fenster von innen mit Brettern vernagelt waren. Wieder stieg Panik in ihnen auf. Wurden sie nun zu Gefangenen eines Verrückten?
Sie befanden sich in einem spärlich möblierten Raum voller Kriegssouvenirs, darunter Uniformen, Pistolen, Fotografien, Munition, Hüte, Stiefel und eine Campingausrüstung aus Armeebeständen. Es war wie eine Zeitreise Jahrzehnte zurück und in ein anderes, fernes Land. Mallory führte sie durch eine weitere Tür in die Küche, wo Brodie sich auf einen Stuhl fallen ließ. Auf dem Holztisch standen eine Blechtasse und ein Blechnapf aus Armeebeständen. Ein schmutziger Topf war auf dem Holzofen zu sehen. Die Dielenbretter waren unbehandelt und hatten dringend eine Säuberung nötig. Das Fenster in der Küche war ebenfalls vernagelt – bis auf eine kleine Ecke, um etwas Licht ins Innere zu lassen. Die Luft war muffig und abgestanden. Mallory trat mit seinem Gewehr ans Fenster und spähte durch die kleine Öffnung. »V or einer Weile habe ich hier einen entlaufenen Sklaven erwischt. Ich glaube, er hat versucht, meine Kaninchenfallen zu plündern.«
»Einen Sklaven!«, flüsterte Brodie entrüstet.
Eliza nahm an, dass er von Noah sprach, da es in dieser Gegend keine anderen Aborigines gab. Sie erinnerte sich, dass Noah ihr erzählt hatte, Mallory hätte ihn mit einer Axt gejagt.
»Ich kann die Yankees nirgends sehen«, sagte Mallory. Sein Körper war verkrampft, seine Bewegungen ruckartig.
Eliza hatte einen Augenblick lang ein schlechtes Gewissen, dass sie ihn belogen und seine Geistesverwirrung damit noch verschlimmert hatte, doch sie hielt sich vor Augen, dass ihr und Brodies Leben davon abhing, dass Mallory sie nicht für »Feinde« hielt.
Brodie stöhnte vor Schmerzen, wodurch er Mallorys Aufmerksamkeit auf sich zog. Er kam zu ihm herüber und zog ihm den Stiefel vom Fuß, der voller Blut war. Brodie schrie auf. Ohne sich darum zu kümmern, riss Mallory Brodies Hosenbein bis zum Knie auf, um seine Wunden freizulegen.
»Ich hab was gegen die Entzündung«, sagte Mallory. Er trat an einen Schrank und entnahm ihm eine Büchse mit einer
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