Im Schatten des Teebaums - Roman
dass ich einfach so gegangen bin, aber du schienst nicht zu verstehen, dass ich mal eine Pause brauchte. Ich bin jetzt eine erwachsene Frau. Du solltest mich nicht mehr wie ein Kind behandeln.«
»Du hast recht, Katie«, erwiderte Henrietta, »aber wenn du selbst einmal Mutter bist, wirst du es verstehen.« Sie wandte sich ab, um wieder aus dem Fenster zu starren. Ihre Mädchen waren jetzt erwachsen, wie sowohl Clive als auch Richard betont hatten. Offenbar wurde sie nicht länger gebraucht, um Katie und Eliza zu bemuttern.
»Geht es dir gut, Mom? Macht irgendetwas dir Sorgen?« Katie konnte nicht glauben, dass ihr überstürzter Aufbruch ihrer Mutter so viel Kummer bereitet hatte.
»Aber nein, Katie. Es geht mir gut. Möchtest du einen Frühstückstee?«
»Ich könnte etwas zu essen vertragen«, sagte Katie, die auf einmal spürte, dass sie großen Hunger hatte. Sie hatte nur eine Tasse Tee getrunken und eine halbe Scheibe Toast geknabbert, während Alistair ein riesiges warmes Frühstück vertilgt hatte. Sein Appetit erstaunte sie immer wieder, da sie in seiner Gesellschaft stets Schmetterlinge im Bauch zu haben schien und keinen Bissen herunterbrachte. »Ist Dad zu Hause?«
»Er muss hier irgendwo sein«, sagte Henrietta ausweichend. Sie stand auf, um Wasser aufzusetzen und ein paar Butterscones zu machen.
Katie trug ihren kleinen Koffer auf ihr Zimmer und wollte sich eben auf die Suche nach ihrem Vater machen, als sie ihn zur Hintertür hereinkommen hörte. Sie traf ihn in der Diele.
»Katie!«, rief Richard und küsste sie auf die Wange. »Ich habe mich schon gefragt, wer hier ist, als ich den Buggy draußen sah. Wie lange bist du schon zu Hause?«
»Ich bin eben erst angekommen, Dad«, sagte Katie. Auch ihr Vater kam ihr seltsam vor. Er blickte besorgt und schien sie aufmerksam zu mustern, als suchte er nach einem Hinweis, dass sie sich in der Zeit ihrer Abwesenheit verändert hatte.
»T homas war hier und hat nach dir gefragt«, sagte Richard schließlich. Er brannte darauf, Katie zu fragen, ob sie Matilda gesehen hatte, wagte es aber nicht, da er wusste, dass Henrietta sie von der Küche aus hören konnte, wo sie mit Teetassen und Untertassen klapperte.
»T atsächlich?«, fragte Katie desinteressiert.
Das war nicht die Reaktion, die Richard erwartet hatte. »Du wirst Thomas doch sehen, oder?«
»Nein, Dad. Nicht jetzt«, erwiderte Katie mit kühler Stimme. Sie konnte nur an Alistair denken.
»Ihr solltet miteinander reden«, beharrte Richard.
»W ir wollen unterschiedliche Dinge vom Leben. Ich glaube nicht, dass Thomas und ich eine gemeinsame Zukunft haben«, erwiderte Katie kalt.
Richard war schockiert von ihren Worten; zugleich hatte er Angst davor, Katie Fragen zu stellen, die Henrietta aus der Fassung bringen würden.
»Hattest du eine schöne Zeit in Tantanoola?«, erkundigte er sich.
»Ja.«
»W as hast du dort gemacht?«
Katie hatte damit gerechnet, dass ihre Eltern sie ausfragen würden, und hatte sich Antworten zurechtgelegt. »Ich habe die Ruhe genossen. Tantanoola ist eine hübsche kleine Stadt, und letztes Wochenende war die Landwirtschaftsausstellung. Es war sehr interessant.«
Richard war erstaunt, dass die Mädchen ihrer Tante nicht begegnet waren. Tantanoola war eine Kleinstadt, und George war Matilda bei der Landwirtschaftsausstellung über den Weg gelaufen. »W ie geht es Eliza?«, fragte er. »Bekommt sie die Story, wegen der sie dorthin gefahren ist?«
»Sie hat die Geschichte noch nicht, aber sie bleibt an der Sache dran.«
»Da ist in ein paar Tagen ja viel passiert«, sagte Richard.
»O ja. Ich hatte eine wirklich schöne Zeit in Tantanoola, Dad. Es hat mir Spaß gemacht, mich zur Abwechslung mal mit etwas anderem zu beschäftigen.« Katie wollte ihren Eltern behutsam beibringen, dass sie nach Tantanoola zurückkehren würde.
Während Henrietta Scones und Tee vorbereitete, belauschte sie das Gespräch der beiden. Richard redete um den heißen Brei herum. In Wahrheit interessierte er sich nur dafür, ob eines der Mädchen Matilda getroffen hatte, die Liebe seines Lebens. Seit ihrem Gespräch über Clive und Matilda waren Henrietta die verschiedensten Gedanken durch den Kopf gegangen. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens an einen Mann verschwendet hatte, der sie nicht geliebt hatte. Nun brachen die Verletztheit, der Schmerz und die Demütigung aus ihr hervor.
Henrietta ging in die Diele und trat zu ihrem Mann und ihrer
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